Keine Kündigung wegen eines Kinderwunschs

Kantor wegen geplanter Leihmutterschaft gekündigt: Kirche unterliegt vor Arbeitsgericht

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Braunschweigs Domkantor und sein Ehemann hatten per Leihmutterschaft im Ausland ein Kind bekommen wollen. Das passte der evangelischen Kirche nicht, sie kündigte dem Musiker – und scheiterte damit nun vor dem Arbeitsgericht. Gerd-Peter Münden, der sich über seine Tätigkeit als Kantor hinaus einen weiten Bekanntheitsgrad durch sein Engagement in der Jugendmusik erworben hat, hatte eine Kündigungsschutzklage gegen seine Arbeitgeberin, die evangelisch-lutherische Landeskirche Braunschweigs, angestrengt. Sie hatte den seit September 1999 bei ihr wirkenden Musiker im März durch eine außerordentliche fristlose Kündigung rausgeworfen. Nachdem ein »Gütetermin« nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte, war für Donnerstag eine regelrechte Verhandlung anberaumt worden, die mit einer Entscheidung endete: Das Gericht gab der Klage statt, die Kündigung ist unwirksam, die Kirche muss den Kantor weiter beschäftigen.

Der nun gescheiterte Rausschmiss war von der Kirche mit ethischen Bedenken gegen eine Leihmutterschaft begründet worden. Über diese hatten Münden und sein Ehepartner nachgedacht, weil eine Adoption in Deutschland wegen des Alters der beiden – der Kantor ist 56, sein Mann 33 Jahre alt – nicht möglich ist. Doch der Wunsch in puncto Leihmutter sei ein »erheblicher Loyalitätsverstoß« gegenüber kirchlichen Grundsätzen, argumentierte sinngemäß die Arbeitgeberin. Dass sie den schwulen Kantor loswerden wollte, hatte in der Öffentlichkeit für Verwunderung gesorgt. Hatte sich doch die Braunschweiger Landeskirche bislang offen und liberal gezeigt in Sachen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und vielem, was mit ihnen zusammenhängt. So hatte sie im November vergangenen Jahres die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher und Menschen mit dem dritten Geschlecht ermöglicht.

Doch eine Leihmutterschaft im Ausland – das war offenbar zu viel für die Kleriker. Und so veröffentlichten sie im Internet eine Erklärung, in der sie das Vorhaben des Paares als nicht mit den ethischen Grundsätzen der Kirche darstellen und dabei auch die Menschenwürde ins Feld führen. Nach allerlei Theologischem kommt der Verfasser zu der Feststellung, die Kirche dürfe auch in einer pluralistischen und säkularen Gesellschaft erwarten, »dass ihre Argumentation als relevanter Beitrag zum ethischen Diskurs respektiert wird«.

Gerd-Peter Münden hob hervor, dass zu keinem Zeitpunkt eine kommerzielle Leihmutterschaft geplant gewesen sei und warf der Kirche vor, sie versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Schon vor dem Klageverfahren hatte der Kantor erklärt, er halte die Positionierung der Kirche für »rückschrittig« und sei enttäuscht darüber, dass sie Veränderungen der Lebenswirklichkeit offensichtlich nicht zur Kenntnis nehme.

Das Gericht begründete sein Urteil im Wesentlichen damit, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben sei. Auch sei kein Verstoß gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht festzustellen. Die Landeskirche will beim Landesarbeitsgericht in Hannover Berufung gegen das Braunschweiger Urteil einlegen.

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