Die Kämpferischen von NagaWorld

Im Arbeitskampf bei Kambodschas größtem Casino wird die Zahl der Standhaften geringer

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 400 Vertreter*innen von gewerkschaftlichen Dachverbänden und Einzelgewerkschaften sind am 11. September in Phnom Penh vor das Arbeitsministerium gezogen. Sie übergaben den Staatsdiener*innen ihren Forderungskatalog. Neben 31 Gewerkschafter*innen aus unterschiedlichen Sektoren und Firmen, deren Wiedereinstellung erreicht werden soll, lag das Hauptaugenmerk der Aktion auf jenen noch knapp 150 Aktivist*innen, die von der Geschäftsleitung von NagaWorld gefeuert worden waren und die weiterhin für die Rückkehr in ihre Jobs kämpfen.

Ursprünglich wurden etwa 1500 der mehr als 8000 Beschäftigten des größten Casinobetreibers des Landes gekündigt, dessen Sitz im Herzen der Hauptstadtmetropole liegt. NagaWorld gehört zu einem an der Hongkonger Börse gelisteten Konzern und ist der größte integrierte Hotel-Casino-Komplex Indochinas. Dahinter steht der 73-jährige malaysisch-chinesische Geschäftsmann Chen Lip Keong. Allein im neueren Teil Naga2 gibt es 300 Spieltische und 2500 Spielmaschinen. Die Lizenz läuft 70 Jahre.

Die nach den Entlassungen folgenden Proteste schlugen hohe Wellen. Zwischenzeitliche Streiks im Zuge der Auseinandersetzungen bei NagaWorld hatte ein Gericht als illegal eingestuft, den Anführer*innen der Widerstandsfront wurde Aufwiegelung vorgeworfen. Kambodschanische Sicherheitskräfte hatten auch Medienschaffende an der freien Berichterstattung über die Proteste gehindert. Die Pläne zur Massenentlassung hatte eine Gruppe von 73 Nichtregierungsorganisationen in einer ersten Erklärung im Juni 2021 als gezieltes Union Busting eingestuft.

Knapp ein Drittel der Betroffenen wollte sich mit den Entlassungen nicht einfach abfinden. Der Konzern begründete die Massenentlassungen im Jahr 2021 mit einem notwendigen Stellenabbau infolge von Umsatzeinbrüchen durch die Coronakrise. Auffällig war aber, dass die meisten, denen gekündigt wurde, Gewerkschaftsmitglieder waren. Teilweise waren sie in der Vergangenheit sogar Anführer*innen von Arbeitskämpfen. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Firma mit der Kündigungswelle in erster Linie »Unruhestifter*innen« loswerden wollte.

Die im Dezember gestarteten Proteste gegen die Entlassungen waren im Frühjahr hochgekocht, zeitweise wurden Aktivist*innen sogar wochenlang verhaftet. Seit die Bewegung zwischen Januar und März verstärkt für Schlagzeilen gesorgt hatte, nachdem sich Dutzende zivilgesellschaftliche Organisationen des Landes mit den Protesten solidarisiert und auch ausländische Botschaften sowie internationale Verbände Besorgnis geäußert hatten, wurde es in den Folgemonaten zumindest medial ruhiger, obwohl die Betroffenen zunächst weiter standhaft blieben.

Inzwischen sind mehr als ein Dutzend offizielle Vermittlungsversuche durch das Arbeitsministerium im Sande verlaufen, im Juni hatten die Entlassenen in einer Petition sogar Regierungschef Hun Sen zur Einschaltung in den Konflikt aufgefordert. Allerdings gab es immer wieder auch Zweifel an der notwendigen Neutralität der staatlichen Stellen. Schon die Festnahmen hatten seinerzeit eher eine Unterstützung der Politik und der Sicherheitskräfte für den Konzern nahegelegt. Und dass selbst das eigentlich einflussreiche Arbeitsministerium seither noch nichts Greifbares wenigstens an Zwischenergebnissen erzielt hat, wirkt in der Tat bedenklich. Die jetzige Aktion war deshalb ein weiterer Versuch, das Ministerium zu stärkeren Anstrengungen zu animieren.

Mit bei der Forderungsübergabe war unter anderem Chhim Sithar, Präsidentin der bei NagaWorld aktiven Gewerkschaft LRSU, die selbst einst von der Polizei festgenommenen wurde. Auch sie streitet für eine Rückkehr in den Betrieb – so wie derzeit noch 133 weitere Entlassene. 239 aus der ursprünglichen Protestgruppe haben sich jedoch inzwischen auf Abfindungsregelungen eingelassen, zuletzt drei Anfang des Monats, wie die führende Tageszeitung »Phnom Post« berichtete. Die nationale Beschäftigungsagentur stehe ihnen nun zur Seite, einen neuen Job zu finden, hatte das Ministerium in diesem Zusammenhang wissen lassen.

Obgleich die lange Standhaftigkeit der NagaWorld-Gewerkschafter*innen landesweit bei vielen Bewunderung ausgelöst hat, geht den Betroffenen nun doch finanziell zusehends die Luft aus. Die Unterzeichnung der Abfindungsvereinbarungen mutet als Einknicken an, ist aber der Not der Betroffenen geschuldet, die Familien ernähren zu müssen. Oft hängen fünf oder sogar sieben Personen an einem schmalen Einkommen.

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