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Inflation treibt die Menschen aus Honduras

Unter den sprunghaft steigenden Preisen leidet vor allem die ärmere Bevölkerung

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Ilsa Martínez hat ihre neue Stromrechnung vor ein paar Tagen erhalten. »3000 Lempiras soll ich nun zahlen – fast dreimal soviel wie noch vor einem Jahr«, stöhnt die alleinerziehende Frau aus Punta Gorda. Der kleine malerische Strandort auf der Karibikinsel Roatán, die vor der Karibikküste von Honduras liegt, weist landesweit die mit Abstand höchsten Strompreise des Landes auf. Ungerechnet 150 Euro pro Monat soll die afrokaribische Frau fortan zahlen und weiß nicht wie.

Das hat sie der Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Energieträger zu verdanken. Solarpanels stehen jetzt auf Flachdächern öffentlicher Gebäude und in großen Solarparks auf Honduras’ wichtigster Urlaubsinsel. Dort sind die Preise ohnehin im Schnitt bis zu 70 Prozent höher als auf dem Festland. Gleichzeitig wird die kurzfristig durchgeführte Umstellung der Elektrizitätswerke ohne jede soziale Abfederung an die Verbraucher weitergegeben. »Hilfsmaßnahmen, jedenfalls im Übergang, haben wir schon von der neuen Regierung erwartet«, ärgert sich Martínez und blickt dem Gaswagen hinterher, der gerade abfährt, nachdem er die Gasflaschen mehrerer Haushalte aufgefüllt hat – auch das zu deutlich höheren Preisen, wie man unschwer an den mürrischen Gesichtern der Kunden erkennen kann.

Roatán ist mit Abstand der teuerste Standort von Honduras. Doch landesweit kennen die Preise nur eine Richtung – und zwar nach oben. »Ein Ei kostete vor zwei Jahren noch drei Lempiras, heute sind es fünf«, berichtet Denilson Barrientos, der in Honduras Hauptstadt Tegucigalpa lebt. Der Mann, der auf die 30 zugeht, gehörte bis Mitte Juli noch zu den Besserverdienenden, dann kündigte er aufgrund von Differenzen seinen Job in einem Ministerium der neuen Regierung. Nun lebt er von Erspartem und muss jede Lempira, so heißt die honduranische Währung, zweimal umdrehen. So geht es vielen in dem mittelamerikanischen Land, das vor allem Kaffee, Palmöl und Bananen exportiert und wo der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren gehört.

Doch auch in der Kaffeeregion Marcala, nahe der Grenze zu El Salvador, sei die Situation alles andere als rosig, erzählt Rodolfo Peñalva, Geschäftsführer der Biokaffeegenossenschaft Comsa. »Wir planen für Anfang Oktober den Beginn der Kaffeeernte. Positiv ist, dass die Kaffeepreise auf dem Weltmarkt hoch sind. Negativ ist, dass die Preise für Biodünger, Verpackung und Transport sich teilweise mehr als verdoppelt haben«, umreißt der 57-Jährige die Lage. Hinzu komme der Mangel an Arbeitskräften für die Ernte.

Zwar ist die Situation in Marcala deutlich besser als in anderen Regionen des Landes. Denn hier wird gebaut und investiert, die Grundstückspreise ziehen an. Aber die Auswanderung in Richtung USA sei auch in Marcala eine Konstante, erzählt Peñalva. »Jobs in den USA sind besser bezahlt als in der Kaffeeernte. Honduraner haben gute Chancen, wenn sie über die Grenze kommen«, weiß der Kaffeemanager aus Gesprächen mit Rückkehrerinnen. Diese transferieren viel Geld in ihre Heimatregion, das zum Bauboom in Marcala beiträgt, aber auch die Inflation anheizt.

Die ist laut Angaben der honduranischen Zentralbank im ersten Halbjahr 2022 auf 6,57 Prozent geklettert. Für das ganze Jahr rechnen Experten mit einer Inflationsrate von rund zehn Prozent. Besonders betroffen von dieser horrenden Preissteigerung sind die ärmeren Haushalte. Dabei sind rund 60 Prozent der honduranischen Familien arm, 43 Prozent gelten als extrem arm und viele versuchen mit Hilfe von Schleppern in die USA zu kommen. 12 000 US-Dollar kostet die riskante Reise ins Ungewisse, aber die dubiosen Menschenschmuggler bieten beim Scheitern auch die zweimalige Wiederholung an.

Darauf lassen sich etliche ein, nicht nur aus Marcala, sondern auch aus der benachbarten Provinzstadt La Esperanza, ebenfalls eine Agrarstadt, wenn auch ohne Kaffeeanbau. Kartoffeln, Erdbeeren, Pfirsiche und andere Früchte gedeihen in der auf 1700 Metern Höhe liegenden Stadt und werden landesweit vertrieben. Doch auch auf dem regionalen Markt stöhnen viele über die Preisaufschläge. Ähnlich wie in Raotán wünschen sich etliche Bewohner eine aktive Sozialpolitik der im Januar vereidigten Regierung von Xiomara Castro. Doch diese hat drückende finanzielle Probleme, denn die alte Regierung hat ihr ein ausgeplündertes Land übergeben.

In den Ministerien in der Hauptstadt Tegucigalpa seien selbst Computer abtransportiert worden, so dass sich der Start verzögere, berichtet Barrientos. Er glaube nicht daran, dass die Regierung Hilfsprogramme gegen die horrende Inflation aufsetzen werde. Die Folge wird sein, dass die Auswanderung weitergeht, nur nicht in den großen Karawanen der Vergangenheit, sondern auf abgelegenen Routen in kleinen Gruppen.

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