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Und die Straßen waren rot von Blut
Zum 450. Jahrestag des Massakers der Bartholomäusnacht wurde in Paris ein Gedenkgarten eingeweiht
Man sagt, Geschichte wiederholt sich nicht. Und die Menschheit lernt nichts aus der Geschichte. Tatsächlich wiederholten sich im Laufe der Zeiten immer wieder Gräueltaten, Morde, Terrorakte, begangen aus religiöser Intoleranz, nationalem Dünkel oder politischen Interessen. In das Gedächtnis Frankreichs tief eingegraben hat sich die blutige Bartholomäusnacht, die sich am vergangenen Freitag zum 450. Mal jährte. Zu diesem Anlass wurde in Paris durch Bürgermeisterin Anne Hidalgo ein Gedenkgarten eingeweiht. Er soll an die mehr als 3000 protestantischen Opfer religiöser Intoleranz erinnern, die in der französischen Hauptstadt in der Nacht vom 23. zum 24. August 1572 durch fanatisierte Katholiken erschlagen worden waren.
Dieser Massenmord war das dramatischste Ereignis des Religionskrieges, der von 1559 bis 1598 zwischen den historisch dominierenden Katholiken und der aufkommenden Glaubensreformbewegung der Protestanten tobte. Auslöser war die Unzufriedenheit der scharfmacherischen katholischen Liga, die durch den Herzog von Guise, einen Cousin des Königs, angeführt wurde, über den 1570 geschlossenen Friedensvertrag von Saint-Germain, der ihrer Meinung nach zu vorteilhaft für die Protestanten ausgefallen war. Ein Dorn im Auge war den fanatischen Katholiken insbesondere der Einfluss von Admiral Gaspard von Coligny, einem Anführer der Protestanten Frankreichs, der ein Berater des zwischen beiden Lagern hin und her schwankenden Königs Charles IX. war. Diesem legte er nahe, sich in den Spanischen Niederlanden am Befreiungskrieg der protestantischen Rebellen gegen Philipp II. zu beteiligen, zumal der spanische König auch französische Gebiete und Interessen bedrohte. Eine solche Koalition jedoch wollten der Herzog von Guise und die Liga, die auf Seiten der Spanier standen, unbedingt verhindern.
Als Versuch einer Versöhnung beider Lager hat die Königinmutter Katharina von Medici die Heirat ihrer Tochter Marguerite von Valois, die als Königin Margot bekannt wurde und eine Schwester des Königs war, mit dem protestantischen König von Navarra, dem späteren König Heinrich IV., arrangiert. Zur Hochzeit, die vom 18. bis 21. August 1572 stattfand, kamen viele protestantische Adlige aus dem Gefolge von Heinrich von Navarra nach Paris. Darin sah der Herzog von Guise eine willkommene Gelegenheit, den Gegnern einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Er konnte den König und seine Mutter überzeugen, der Ermordung von einigen Dutzend führenden Protestanten zuzustimmen, um das Lager der »Reformierten« nachhaltig zu schwächen. Doch das von oben organisierte Massaker lief den Urhebern aus dem Ruder und weitete sich zu einem Massenmord aus.
Als um drei Uhr in der Nacht Glocken der dem Königsschloss Louvre gegenüberliegenden Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois das Zeichen gaben, drangen bewaffnete Katholiken zunächst in das Haus ein, in dem Admiral von Coligny abgestiegen war. Sie folterten ihn schrecklich und warfen den bereits Halbtoten aus dem Fenster in die Spieße unten stehender Anhänger der Liga. Ähnlich erging es anderen namhaften Protestanden, deren Unterkünfte Tage zuvor mit einem Kreidekreuz an der Haustür markiert worden waren. Sie wurden zumeist im Schlaf überrascht und hatten keine Chance zur Gegenwehr.
Diese gezielten Morde sahen viele katholische Bürger von Paris als Freibrief an, ihre protestantischen Nachbarn – und oft auch beruflichen Konkurrenten – zu erschlagen oder zu erdolchen und deren Häuser zu plündern. »Sie wurden abgestochen wie Schafe im Schlachthaus«, berichtete ein Zeitzeuge, der Genfer Reformator Théodore de Bèze, »und die Straßen waren rot von Blut«. Das Morden dauerte drei Tage an und endete erst am 26. August, als der König vor dem Parlament erschien, die Verantwortung für das Massaker übernahm und ein Ende befahl. Die Blutorgie hatte inzwischen schon auf Orléans, Lyon, Albi, Toulouse und andere Städte übergegriffen und landesweit mehr als 10 000 Opfer gefordert. Das ländliche Frankreich blieb glücklicherweise fast völlig verschont.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Gregor XIII., war von den Berichten aus Frankreich begeistert, ließ in Rom Dankesmessen zelebrieren und eine Gedenkmedaille schlagen.
Im nun neu aufflammenden Religionskrieg führte Heinrich von Navarra, verwandt mit der Königsfamilie, war in der Bartholomäusnacht verschont worden. Er führte jetzt die Protestanten an und erzielte mit ihnen einige militärische Siege. Das Kriegsende kam dann völlig überraschend – und aus unerwarteten Gründen. Da die zwischen 1547 und 1589 nacheinander regierenden Brüder, die Könige Heinrich II., Franz II., Karl IX. und Heinrich III., einer nach dem anderen ohne männliche Nachfahren starben, erlosch das Geschlecht der Valois und Heinrich von Navarra erbte als entfernter Verwandter den französischen Thron. Mit Heinrich IV., wie er sich nun nannte, regierte erstmals ein Protestant das Land. Doch die meisten Angehörigen des Adels verweigerten ihm die Gefolgschaft; er konnte sich als Monarch erst endgültig durchsetzen, nachdem er 1593 zum katholischen Glauben übergetreten war. Bevor er 1610 durch einen fanatischen Katholiken ermordet wurde, hat er 1598 mit dem Edikt von Nantes Glaubensfreiheit für die Protestanten verfügt.
Als König Ludwig XIV. dieses Edikt schließlich 1685 aufkündigte und alle Protestanten (auf zwei Millionen geschätzt), die nicht zum katholischen Glauben übertreten wollten, grausam verfolgte, löste er eine riesige Fluchtwelle aus. Von den ins Ausland geflüchteten circa 170 000 Hugenotten, wie die vorrevolutionären französischen Protestanten auch genannt werden, nahmen etwa 20 000 die Einladung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm an und siedelten sich in Brandenburg-Preußen und vor allem in Berlin an.
In Frankreich brachte erst ein durch Ludwig XVI. 1786 erlassenes Edikt und dann endgültig die Revolution von 1789 den Protestanten volle Gleichberechtigung als Bürger. Heute bekennen sich 48 Prozent der Franzosen zum katholischen Glauben, während etwa vier bis fünf Prozent Muslime sind und drei bis vier Prozent protestantischer Konfession.
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