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Nach rechts abgebogen
In Frankreich hat sich die Partei von Präsident Macron einen neuen Namen gegeben
Die Bewegung La République en marche hat sich am vergangenen Wochenende auf einem Sonderkongress in Paris in eine politische Partei mit dem programmatischen Namen Renaissance umgewandelt. Das werten Beobachter als Eingeständnis, dass Emmanuel Macrons ursprüngliche Ambition, Politik auf ganz neue Art zu machen, letztlich nicht aufgegangen ist. Als er En Marche im April 2016 gründete, noch als Wirtschaftsminister unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande, wollte er »die politischen Parteien herkömmlicher Art« ablösen durch eine Bewegung, die »über die Abgrenzung in rechts und links hinweg« offen für alle ist.
Mit seinem Credo, das »verkalkte« politische System aufzubrechen, das viele Bürger längst nicht mehr erreichte, hatte Macron zunächst breite Zustimmung gefunden. Sie trug ihn 2017 bei der Präsidentschaftswahl zum Sieg. Zahlreiche rechte oder linke Politiker verließen ihre Parteien und wechselten zu ihm über. Bei der Parlamentswahl 2017 errang die Bewegung En Marche mit zumeist völlig neuen Kandidaten einen spektakulären Sieg. Mit ihrer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung konnten Macron und seine Regierung nun jedes beliebige Gesetz spielend durchs Parlament bringen. Wirkungsvolle Opposition trat der Regierung nur noch auf der Straße, bei Streiks und Massendemonstrationen der Gewerkschaften oder Aktionen der »Gelben Westen« entgegen.
Die vielen nicht gehaltenen Versprechungen und das ewige Pendeln zwischen breit gefächerten rechten oder linken Zielen, die von der Verschärfung der Bedingungen für Renten und Sozialhilfen einerseits bis zu »ökologischer Planung« andererseits reichten, haben viele Franzosen nicht nur verwirrt, sondern enttäuscht und verärgert. Das reichte bis in Macrons Bewegung hinein, die inzwischen in La République en marche umbenannt worden war. Nicht wenige der neugebackenen Abgeordneten der verschiedenen Ebenen kandidierten nach der ersten Amtszeit nicht wieder oder waren sogar schon früher zurückgetreten und ins zivile Leben und in ihren Beruf zurückgekehrt.
Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen April und der nachfolgenden Parlamentswahl konnten sich Macron und sein Lager noch einmal durchsetzen, indem sie sich im Wahlkampf vor dem ersten Durchgang rechte Ziele auf die Fahnen schrieben und so die Republikaner zur Bedeutungslosigkeit verkümmern ließen – und in der zweiten Runde fortschrittliche Absichten formulierten, um möglichst viele linke Wähler zu sich herüberzuziehen und das linke Parteienbündnis Nupes in Grenzen zu halten.
Diese Taktik hat zwar für die Wiederwahl des Präsidenten gereicht und dafür, erneut die größte Fraktion in der Nationalversammlung zu stellen, doch die absolute Mehrheit ist dahin. Jetzt muss das Regierungslager für die Verabschiedung von Gesetzen von Fall zu Fall Bündnisse schließen. Die ersten Wochen der neuen Legislaturperiode haben gezeigt, dass die fast immer mit den rechten Republikanern eingegangen werden. Das hat die Politiker des linken Bündnisses Nupes in ihrer Überzeugung bestärkt, dass Macron und seine Politik grundsätzlich rechten Charakter haben.
Entsprechend dürfte auch die neue Partei Renaissance im Grunde genommen eine rechtsgerichtete Partei sein. Von den 420 000 Anhängern, auf die sich die Bewegung En Marche in besten Zeiten stützen konnte, sind noch 26 000 übrig geblieben, die in den vergangenen Wochen bei einer Abstimmung per Internet zu 87 Prozent die Statuten und zu 96 Prozent den »Wertekatalog« der Partei Renaissance angenommen haben. Diese wird zu einer klassischen Partei mit Beitrag zahlenden Mitgliedern und einer hierarchischen Struktur.
Die Führungskräfte der neuen Partei, bei denen es sich oft um Mitglieder der aktuellen Regierung handelt, versuchen, den Eindruck einer Wende nicht aufkommen zu lassen. Sie sprechen lieber von einer »neuen Etappe«. Zweifellos denken sie dabei schon über die bis 2027 reichende Amtszeit des Präsidenten hinaus und versuchen bereits, das »Überleben nach Macron« zu organisieren.
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