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Linke setzt Diether Dehm unter Druck
Nach Äußerungen auf dem UZ-Pressefest: Die Linke prüft einen Ausschlussantrag gegen Diether Dehm
Einer derjenigen, die im Zusammenhang mit Gerüchten um eine mögliche Abspaltung des Lagers um Sahra Wagenknecht von der Linken immer wieder genannt werden, ist Diether Dehm. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der bei der Wahl 2021 den Wiedereinzug verpasste, steht der bekannten Ex-Fraktionschefin nahe und macht sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament für sie stark. Als die Linksfraktion in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit ein Papier verabschiedete, mit dem sich die Abgeordneten an ihre eigene Programmatik banden, saß Dehm im Interview bei »Weltnetz.TV«, einer von ihm mitgegründeten journalistischen Plattform. Dort sagte er mit Blick auf den Beschluss, dass Wagenknecht damit »eine Art Maulkorb« umgehängt bekomme.
Wagenknecht war vorgeworfen worden, in einer Rede im Bundestag mit der Behauptung, der Westen habe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen, die russische Verantwortung für den Krieg in der Ukraine relativiert und damit gegen die Beschlüsse des Erfurter Parteitags verstoßen zu haben. Die Fraktionsversammlung hatte daraufhin entschieden, dass Abgeordnete die Programmatik und die Mehrheitsmeinung der Fraktion vertreten und sich an parlamentarischer Arbeit beteiligen müssen. Zwar wird Wagenknecht, die in keinem Ausschuss sitzt und keine Funktion als Sprecherin innehat, in dem Beschluss nicht namentlich genannt – jedoch war auch Dehm klar, dass dieses Papier eine Reaktion auf die Rede darstellt.
Ein offizielles Sprechverbot gibt es nicht, jedoch machten die Abgeordneten klar, dass sie einen solchen Auftritt nicht noch einmal sehen wollen. Dehm hingegen sieht Wagenknecht zunehmend in die Ecke gedrängt und kritisiert die Fraktionsentscheidung im Gespräch mit »Weltnetz.TV« als verfassungswidrig, weil das Grundgesetz die freie Mandatsausübung garantiere, was der Beschluss aber ebenso festhält. Außerdem wirft Dehm den Wagenknecht-Kritiker*innen vor, diese hätten bereits auf dem Erfurter Parteitag jenes Lager, das in der Außenpolitik eine andere inhaltliche Ausrichtung fordert und beispielsweise Wirtschaftssanktionen gegen Russland unter Verweis auf deren Auswirkungen auf die deutsche Bevölkerung ablehnt, »aus nahezu allen Parteigremien herausgesäubert«.
Seit Wochen wird darüber spekuliert, ob das Wagenknecht-Lager, das in Erfurt in puncto Programmatik und Besetzung von Posten herbe Niederlagen kassierte, die Linke verlassen könnte. Im Falle von Dehm könnte es allerdings passieren, dass die Partei ihm nun sogar mit einem Ausschluss zuvorkommt. Die stellvertretende Vorsitzende Katina Schubert bestätigte »nd« am Montag, dass man »unter Hochdruck einen Ausschlussantrag« prüfe, nachdem der Ex-Bundestagsabgeordnete Ende August auf dem Pressefest der DKP-Zeitung »Unsere Zeit« eine Alternativkandidatur zur Europawahl 2024 ins Spiel gebracht hatte. Dehm hatte gesagt: »Es muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt.« Das sei »eindeutig parteischädigend« und müsse »zwingend zum Parteiausschluss führen«, so Schubert.
Dehm wehrt sich gegen den möglichen Ausschluss. Via Pressemitteilung lässt er ausrichten, Schubert habe das Zitat »greulich aus dem Zusammenhang« gerissen, in Wahrheit handle es sich um eine »weitere brachiale Parteisäuberungs- und Grünen-Anpassungsmaßnahme«. Weiter heißt es in der Mitteilung, Dehm habe nicht erst seit der Coronakrise für das Handwerk und den Mittelstand gestritten. Außerdem wird auf »spektakuläre Aktionen und ausverkaufte Kulturveranstaltungen« verwiesen. Der Linke-Politiker arbeitet nebenher als Musikproduzent und Liedermacher, zu seinen bekanntesten Werken gehört das von der Klaus-Lage-Band gespielte Stück »1000 und 1 Nacht«. Dehm: »Auch dann, wenn die Linke vielleicht ihre erfolgreichste Zeit hinter sich hat, werde ich mit meinem Rechtsvertreter, dem früheren MdB und Parteigeschäftsführer Ulrich Maurer, um meine Mitgliedschaft kämpfen.«
Die Kritik an Dehm hat neue Nahrung erhalten, als dieser jüngst gegenüber dem Kanal »Infrarot« behauptete, die Bilder aus Butscha seien »gefakt«. Nach dem Abzug russischer Streitkräfte waren in der ukrainischen Stadt Hunderte Leichen gefunden worden. Eine UN-Untersuchungskommission hat mittlerweile verschiedene russische Kriegsverbrechen in der Ukraine nachgezeichnet. Aus der Pressestelle der Linken heißt es: »Schon vor Butscha war klar: Die russische Armee begeht Kriegsverbrechen in der Ukraine. Das Leugnen ist eines Mitglieds einer Friedenspartei nicht würdig.« Übrigens: Gesellschafter von »Infrarot« ist Ivan Rodionov, der zuvor beim Kreml-nahen Sender RT Deutsch tätig war.
Dehm, der bis 1998 der SPD angehörte und am Tag der Bundestagswahl im gleichen Jahr der PDS beitrat, hat nach eigenen Angaben bislang fünf Ausschlussverfahren hinter sich, davon drei als SPD-Mitglied. Anlässlich der Haltung der SPD zu den Jugoslawien-Kriegen war er zunehmend in Konflikt mit der Parteispitze geraten und schließlich zusammen mit 24 weiteren Frankfurter Sozialdemokraten aus der Partei ausgetreten. Doch auch in der Linken geriet er immer wieder in Konflikte. So engagierte sich Dehm nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahre 2014 für die »Mahnwachen für den Frieden«, bei denen auch Verschwörungsideologen und Antisemiten auftraten. Während der Corona-Pandemie ließ er sich medienwirksam mit dem in Deutschland nicht zugelassenen russischen Vakzin »Sputnik V« impfen. In der Linken wollen mittlerweile viele mit ihm nichts mehr zu tun haben.
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