Thailands starker Mann ist zurück

Triumph für Premier Prayuth – Verfassungsgericht lässt einstigen Putschführer weiter regieren

  • Thomas Berger, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Taxifahrer Chumphon Samakthai (63) übt sich nicht in Zurückhaltung. Von der Regierung hält er gar nichts. Nicht nur, weil diese in Sachen Demokratie »das Gleiche in grün« wie das Putschistenregime im benachbarten Myanmar sei. Sondern auch, weil die Menschen ökonomisch litten. »Um vier Baht ist der Liter Benzin teurer geworden. Der Preis für die Strecke ist aber geblieben«, sagt der Mann, der schon 37 Jahre Taxi fährt und vorher fünf Jahre mit dem Tuk-Tuk (Motorrikscha) unterwegs war. Keineswegs nur er hätte Premier Prayuth Chan-ocha gerne dauerhaft gehen gesehen, sondern auch ein Großteil der Bevölkerung im Königreich. Der Mann, der seit 2014 politisch an dessen Spitze steht, hat von seiner anfänglich vorhandenen Popularität viel eingebüßt. Doch der 68-Jährige bleibt den Thais noch eine Weile erhalten. Mit der Mehrheit von sechs zu drei Stimmen hat das Verfassungsgericht am Freitag geurteilt, seine laut Verfassung auf acht Jahre begrenzte Amtszeit beginne erst ab dem 6. April 2017, eben dem Tag des Inkrafttretens des neuen Grundgesetzes.

Vor allem die Pheu Thai Party (PT) als größte Oppositionskraft im Parlament sieht das anders und hatte Thailands höchste juristische Instanz angerufen. Die Kläger argumentierten damit, dass Prayuth bereits am 24. August 2014 formell an die Spitze der Regierung gerückt war und deshalb ab diesem Zeitpunkt die acht Jahre gelten müsste. Fünf Wochen bis zum jetzigen Urteil war er deshalb vorläufig suspendiert gewesen, sein Vize Prawit Wongsuwon sprang ein. Am Montag nun nahm Prayuth selbst die Amtsgeschäfte wieder auf. Erste Amtshandlung war eine Konferenz mit den Provinzgouverneuren, am heutigen Dienstag soll ein Kabinettsmeeting folgen, Mittwoch der Besuch in einer überfluteten Provinz. Der Premier kündigte bereits an, im kommenden halben Jahr, bis am 23. März die Legislaturperiode des Parlaments ausläuft und wohl im Mai regulär neu gewählt wird, mit voller Kraft weiterzumachen und anstehende Vorhaben umsetzen zu wollen.

Enttäuscht vom Richterspruch, obwohl man diesen akzeptiere, zeigte sich die PT gleich am Freitag in einer ersten Stellungnahme. Ähnlich reagierte die ebenfalls oppositionelle Move Forward Party. Noch am Tag der Verkündung des umstrittenen Urteils kam es zu ersten kleineren Protestaktionen in der Hauptstadt. Sie fanden dezentral statt, da rund um Gericht und Regierungssitz bis Montag eine Hochsicherheitszone eingerichtet war. Ein größeres Aufgebot an Polizei sollte sicherstellen, dass es dort nicht zu Versammlungen von Kritiker*innen kommt. Die außerparlamentarische Opposition zeigte an verschiedenen Punkten im Stadtgebiet dennoch Flagge. Die Schmelztiegel-Gruppe, die sich auch personell in der Tradition der locker der PT-nahen Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur alias Rothemden sieht, war ebenso dabei wie eine studentische Sammlungsbewegung oder das Labour Network for People’s Rights.

Am Samstag fand sich eine Gruppe von etwa 500 Menschen zu einer Kundgebung der oppositionellen Bewegung Thalufa am Siegesdenkmal ein, einem traditionell für Demonstrationen beliebten Denkmal mit Kreisverkehr in der nördlichen Innenstadt. Die Stimmung war eher entspannt, von einem echten Massenaufmarsch konnte bei dieser Teilnehmendenzahl keine Rede sein. Anders als im Juli und August 2020, als Abertausende vorwiegend junge Leute auf den Straßen waren und nicht nur einen einfachen Abgang der Regierung Prayuth, sondern gleich tiefgreifende Reformen des politischen Systems der konstitutionellen Monarchie gefordert hatten. Seither hat die Mobilisierungskraft der Bewegung spürbar nachgelassen.

Prayuth war als Armeechef die treibende Kraft des unblutigen Putsches, der im Mai 2014 in einer von politischen Grabenkämpfen geprägten Ära die gewählte Regierung von Yingluck Shinawatra (PT) stürzte. Sie ist die jüngere Schwester von Ex-Premier Thaksin Shinawatra, der seinerseits bei einem Putsch 2006 abgesetzt wurde. Beide flohen ins Exil. Engste Mitstreiter Prayuths sind sein heutiger Vize Prawit sowie Innenminister Anupong Pajinda, der bis zur Pensionierung 2010 Armeechef war. Der Premier selbst holte sich bei der Wahl 2019 pro forma demokratische Legitimation, als die neu gegründete Regimepartei PPRP siegte und diverse andere Parteien sich als Mehrheitsbeschaffer bereitfanden.

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