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Rettungsdienst am Limit

Personalmangel und Überlastung bei Notfallsanitätern durch Pandemie weiter verschärft

»Die ohnehin hohe Belastung von Beschäftigten im Rettungsdienst hat sich seit Beginn der Coronakrise nochmals deutlich verschärft«, so Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler bei der Vorstellung einer Verdi-Befragung unter Beschäftigten im Rettungsdienst am Dienstag in Berlin. So verzeichnete beispielsweise das Bayerische Rote Kreuz im Jahr 2021 eine Zunahme von Notarzt- und Notfalleinsätzen von über zehn Prozent gegenüber 2020. Doch es wurde nicht entsprechend mehr Personal eingestellt. Auch laut Bundesagentur für Arbeit besteht im Rettungsdienst ein Fachkräfteengpass.

»Wenn 39 Prozent der Befragten angeben, sie würden sofort den Beruf wechseln, falls sie die Gelegenheit dazu bekämen, muss das alle aufrütteln«, stellt Bühler fest. An der Verdi-Befragung beteiligten sich bundesweit rund 7000 Beschäftigte im Rettungsdienst. Demnach können 61 Prozent ihre gesetzlich vorgeschriebenen Pausen (sehr) häufig nicht oder nicht vollständig nehmen. 84 Prozent gehen davon aus, unter den derzeitigen Bedingungen nicht bis zum Rentenalter durchzuhalten.

Die hohen Belastungen wirken sich auch auf den Gesundheitszustand aus. Mit Mitte 40 ist es schon ein Drittel der Befragten, die diesen als eher schlecht bis sehr schlecht bewerten; mit Mitte 50 fast die Hälfte. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf die Berufsdauer: Je länger Beschäftigte im Rettungsdienst arbeiten, desto mehr verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand. Während von den unter 26-Jährigen bereits 31 Prozent in den letzten zwölf Monaten fünfmal oder häufiger krank zur Arbeit gekommen sind, sind es bei den über 55-jährigen 49 Prozent.

»Nimmt man die überlangen und ungünstigen Arbeitszeiten, die physische Anstrengung und Übergriffe hinzu, verwundert es nicht, dass die Arbeit im Rettungsdienst als wenig attraktiv wahrgenommen wird«, so Bühler. »Wir alle sind im Notfall auf rasche und kompetente Hilfe angewiesen. Dass sich die Bedingungen im Rettungsdienst schnellstens verbessern, ist daher für alle wichtig. Schon jetzt finden sich nicht mehr genug Menschen, die diesen so wichtigen Beruf ausüben wollen.«

Zu den körperlichen kommen bei der Mehrheit auch noch psychische Belastungen hinzu. 82 Prozent der Befragten haben in den letzten zwei Jahren mindestens einmal übergriffiges Verhalten während der Arbeit erfahren. 34 Prozent sogar mehr als fünfmal. Darunter neben verbaler Gewalt auch angedrohte und tatsächliche körperliche Gewalt. »Damit dürfen wir uns als Gesellschaft nicht abfinden«, meint Bühler. Erschwerend hinzu kommt bei vielen, dass sie keine oder nur geringe Unterstützung durch die Arbeitgeber nach erlebtem übergriffigen Verhalten bekommen. Viele können auch in ihrer Freizeit nicht mehr richtig abschalten.

Es sei immer noch selbstverständlich, dass im Rettungsdienst 48 Stunden Arbeitszeit die Woche eingefordert werden. »Das ist dann sehr schwer zu ertragen«, erklärt Norbert Wunder zur Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse. Das sei eine Arbeitszeitregelung, die noch aus den 60er, 70er Jahren stamme. »Die ist mittlerweile in unserer heutigen Gesellschaft absolut überholt«, so Wunder, der Vorsitzender der Verdi-Bundesfachkommission Rettungsdienst ist. »Die Ausbildung als Notfallsanitäter ist beliebt, doch die Leute bleiben nicht mehr lange im Job«, erklärt er. Aus dem einfachen Grund, dass sie die Belastung nicht ertragen.

Oft höre man in der Berichterstattung, dass der Rettungsdienst zu Einsätzen alarmiert werde, die nicht so wertig sind. »Zum Beispiel, weil sich jemand in die Hand geschnitten hat«, erläutert Wunder. »Wir sehen aber hier auch, dass ganz oft die ambulante Versorgung nicht mehr gegeben ist. Dass man Arztpraxen nicht mehr erreicht oder auch das Krankenhäuser sich nicht darum kümmern können.« Auch dort müsse etwas getan werden.

»Die Struktur der Notfallversorgung in Deutschland ist echt schwierig«, resümiert Wunder. Während der Pandemie sei erschwerend hinzugekommen, dass die Versorgung der Patienten zu Hause nicht mehr von Hausärzten oder anderen Versorgungsstrukturen wahrgenommen worden sei, sondern oft vom Rettungsdienst. »Denn keiner hat sich mehr getraut, in die Wohnungen zu gehen, dorthin zu fahren.«

Eine wichtige Maßnahme, um den Rettungsdienst wieder attraktiver zu machen, sieht Bühler in der Verkürzung der langen Arbeitszeiten. Verdi führe darüber aktuell Gespräche mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände.

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