Den Schwung mitnehmen

Eine Konferenz will Perspektiven und Wege zur Vergesellschaftung ausloten

Über 3000 Unterschriften konnte die Initiative »Hamburg enteignet« Ende September nur zehn Tage nach dem Beginn der Unterschriftensammlung feiern. In Köln demonstrierten Ende August über 1000 Menschen für die Vergesellschaftung des Energiekonzerns RWE. Spätestens seitdem die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen bei ihrem Volksentscheid vor einem Jahr triumphierte, ist die Eigentumsfrage in der Linken in aller Munde. Immobilienunternehmen, Energiekonzerne, Krankenhäuser und am liebsten auch noch Facebook und Amazon, alles soll enteignet werden.

Nun ist es aber so, dass die Forderung nach Enteignung allein noch keine erfolgreiche Kampagne ist. Die Frage, wie Kampagnen zu Erfolgen führen können, gehört zu den Punkten, die sich durch das Programm der Konferenz »Vergesellschaftung: Strategien für eine demokratische Wirtschaft« ziehen, die vom 7. bis 9. Oktober an der TU Berlin stattfindet. Eigentlich hatten die Veranstalter*innen, darunter große Organisationen wie Oxfam, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und Fridays for Future, mit etwa 350 Teilnehmenden gerechnet. Knapp eine Woche vor Beginn mussten sie jedoch die Anmeldung schließen. 1400 Menschen wollen über Möglichkeiten der Vergesellschaft diskutieren.

Warum gerade ein guter Zeitpunkt ist, um die Eigentumsfrage zu stellen, erklärt Justus Henze, der zum Organisationsteam der Konferenz gehört, in einem Blogbeitrag. Vergesellschaftung habe »das Potenzial einer verbindenden Klassenpolitik« und könne den »falschen Widerspruch« zwischen ökologischer und sozialer Politik »überwinden«. Bei der Deutsche-Wohnen-Kampagne seien die materiell ähnlichen Probleme von Mieter*innen in »Kontrast zum Profitinteresse« der Immobilienkonzerne gestellt worden. Ähnliche Möglichkeiten sieht Henze derzeit etwa in der Energiefrage, weswegen er die Kampagne »RWE und Co. enteignen« begrüßt.

Für die gesellschaftliche Linke gäbe es in der Eigentumsfrage viel zu gewinnen. Ein »politischer Raum« sei geöffnet worden, der nun gefüllt werden müsse, so Henze. Er betont, dass eine erfolgreiche Vergesellschaftungsbewegung nicht nur von außerparlamentarischen, regionalen Bewegungen getragen werden könne. Sie brauche vielmehr Bündnisse mit ambitionierten Gewerkschaften, mutigen linken Parteien, den Betroffenen »kapitalistischer Produktionsweise« und kritischen Wissenschaftler*innen. Dann habe die Eigentumsfrage die Chance, die gesellschaftliche Linke aus der Defensive zu bringen.

Ambitionierte Vorstellungen, die gut zum Programm der Konferenz passen. Neben Rückblicken auf vergangene Vergesellschaftungsdebatten, etwa über die Stahlindustrie in den 1980er Jahren oder Verstaatlichungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es eher theoretische Veranstaltungen zu Konzepten demokratischer Wirtschaft. Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler wird darüber diskutieren, welches Verhältnis Parteien zur Vergesellschaftungsbewegung haben. Internationale Beispiele werden vorgestellt. Außerdem gibt es jede Menge praktischer Workshops, etwa zum Kampagnenaufbau und Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzungstreffen. Wer keinen Platz mehr bei der Konferenz bekommen hat, kann einige Veranstaltungen im Livestream verfolgen.

https://vergesellschaftungskonferenz.de

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