Ärztin Meinecke macht eine Woche Dienst nach Vorschrift

Protestwoche der Kassenärzte: Patienten erhalten neue Termine, akute Fälle werden behandelt

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

»Na, dann lösen wir uns ab«, sagt die Schwester. »Und wir schicken die Patienten wieder nach Hause.« Die Praxisgemeinschaft Meinecke & Göhling in der Potsdamer Kastanienallee hätte am Mittwoch 18 freie Stühle im Warteraum gehabt, wäre nicht Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) mit Journalisten im Schlepptau gekommen. Denn ein bedeutender Teil der niedergelassenen Ärzte Brandenburgs befindet sich seit Dienstag in einer Art Bummelstreik.

Nachdem in den vergangenen Wochen die schwierige Lage der Krankenhäuser ein großes Thema gewesen ist, trumpfen nun die Kassenärzte mit einer Protestwoche auf: Viele Arztpraxen im Land Brandenburg haben angekündigt, ihre Sprechstunden vom 4. bis 7. Oktober deutlich einzuschränken. So sieht ihre Beteiligung an der Aktionswoche »Dienst nach Vorschrift« aus, zu der die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) gemeinsam mit Berufsverbänden der Ärzte aufgerufen hatte. Die Behandlung von Akutpatienten soll in dieser Zeit »regional-kollegial gewährleistet« werden.

Allgemeinmedizinerin Antje Meinecke beteiligt sich an der Aktionswoche. »Wir befürchten, dass das ambulante System aufgeweicht wird«, sagt sie. Die fälligen Tariferhöhungen für die Angestellten würden nicht in den Honoraren widergespiegelt, die den Ärzten zugestanden würden. »Von den höheren Energiekosten will ich gar nicht reden.« Meinecke unterstreicht, dass die Ärzte keine höheren Einkommen für sich selbst fordern. »Aber wenn jüngere Ärzte keine Verlässlichkeit mehr haben, dann sinkt die Neigung, sich niederzulassen. Dann wählen sie lieber die Anstellung in einem Krankenhaus.«

Inzwischen seien landesweit rund 300 Praxen unbesetzt und es werden immer mehr, sagt Andreas Schwark, Vizevorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. »Nach meinem Gefühl wird das systemkritisch.« Rund 30 Prozent der niedergelassenen Ärzte im Bundesland seien über 60 Jahre alt. »Die spielen mit dem Gedanken, ihr Berufsleben aufzugeben. Wir benötigen sie aber dringend. Brandenburg hat eine der niedrigsten Ärzteraten bundesweit.« Laut Schwark wird der ambulante Sektor gegenüber den Kliniken benachteiligt. Von 2014 bis 2022 sei die Vergütung für die stationäre Behandlung um 27 Prozent gestiegen, die für die ambulante Versorgung nur um 12,7 Prozent. Im Unterschied zu den Kliniken sollen die Arztpraxen auch keinen Energiekostenausgleich erhalten. »Dabei haben sie mit den gleichen Kostensteigerungen zu kämpfen.«

Mit ihrer Protestaktion, an der sich ein Drittel der Ärzte nicht beteiligt, wehren sich die Kassenärzte unter anderem dagegen, dass die Sondervergütung für Neupatienten wieder gestrichen werden soll. Gerade in Brandenburg wirke sich diese Sondervergütung positiv auf die medizinische Versorgung aus, bestätigt Ministerin Nonnemacher. Sie ist von Beruf selbst Ärztin und hat Verständnis für den Ärger der Kollegen. Die Honorarordnung werde aber auf Bundesebene ausgehandelt. In die Budgetverhandlungen könne sich das Land nicht einmischen. Weil die Kassenärzte auf die 82 Millionen Euro verwiesen, die das Land kürzlich den Klinken zur Verfügung gestellt habe, und weil sie auf ähnliche Hilfen hofften, betont Nonnemacher, dies seien Investitionsmittel. Laufende Ausgaben dürften davon nicht bestritten werden. Handlungsbedarf bestehe aber zweifellos. Sie wolle keinen Hehl machen aus ihrer Enttäuschung, dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz vor zwei Tagen dazu faktisch nichts gesagt worden sei.

Der »Dienst nach Vorschrift« sorgt in der Praxis von Antje Meinecke dafür, dass am Mittwoch 20 bis 25 Patienten neue Termine bekommen. Normalerweise werden hier rund 120 Menschen am Tag versorgt. »Wir erfahren von unseren Patienten nur Unterstützung«, versichert die Ärztin.

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