Infizierte Smartphones

Etliche Regierungen in der EU nutzen den Staatstrojaner Pegasus – auch gegen Politiker und Journalisten

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Website des israelischen Unternehmens NSO Group mit der Spionagesoftware Pegasus
Die Website des israelischen Unternehmens NSO Group mit der Spionagesoftware Pegasus

Es ist der wohl größte Überwachungsskandal in Europa. Doch das Interesse der Öffentlichkeit am illegalen Einsatz der Spionage-Software Pegasus scheint gering. Große Medienhäuser meiden das Thema weitgehend. Dabei wurden neben zahlreichen Politikern und Anwälten auch Journalisten Opfer von Pegasus, etwa in Polen, Ungarn und Spanien. In Griechenland kam eine andere Software zum Einsatz, mit der die sozialdemokratische Opposition überwacht wurde.

Die Spyware des israelischen Herstellers NSO verwandelt das Smartphone in eine Überwachungsmaschine, die Gespräche mitschneidet und auf dem Gerät gespeicherte Daten auslesen kann. Zudem kann dieser Staatstrojaner unerkannt Mikrofon und Kamera aktivieren. So sind die Geheimdienste in Echtzeit dabei, wenn vertrauliche Gespräche geführt werden. Offiziell soll dieses geflügelte Pferd Terroristen und Kriminelle überwachen, doch in der Praxis dient es zur Überwachung politisch missliebiger Personen.

Bereits im Dezember 2021 forderten zahlreiche NGOs in einem offenen Brief, den israelischen Hersteller auf die Sanktionsliste der EU zu setzen. Zuvor hatten die USA die Firma auf ihre schwarze Liste aufgenommen, nachdem bekannt geworden war, dass autoritäre Regierungen in aller Welt auf das Spionagewerkzeug zurückgreifen. Doch Brüssel blieb verdächtig ruhig. Erst mit der Einsetzung eines Pegasus-Untersuchungsausschusses (PEGA) durch das EU-Parlament kam ab März etwas Bewegung in die Sache. Die Ermittlungen von PEGA machten schnell deutlich, warum die EU-Staaten hier nicht aktiv werden. Denn derzeit nutzen zwölf Mitgliedsländer und insgesamt 22 Regierungsorganisationen die Software, wie der Hersteller dem Ausschuss offenbarte. Auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND verwendet Pegasus, wie Recherchen der » Süddeutschen Zeitung« ergaben. Doch parlamentarische Anfragen, etwa der Linke-Abgeordneten Martina Renner, werden regelmäßig abgeblockt.

Auch der Ausschuss des EU-Parlaments hat es mit Regierungen zu tun, die möglichst nichts preisgeben wollen. So hat die polnische »die Einladung zur Anhörung abgelehnt und sich geweigert, mit der Untersuchungsmission zusammenzutreffen«, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von PEGA-Mitgliedern. Der Ausschuss hatte Mitte September eine »Fact Finding Mission« nach Warschau entsandt, die sich zwar mit Betroffenen traf, nicht jedoch mit Regierungsvertretern. Diese fürchteten offenbar unbequeme Fragen, etwa zum Abhören des Ex-Ministers Roman Giertych, dessen Smartphone gleich 18 Mal gehackt worden war. Giertych ist Anwalt des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, dem wohl einflussreichsten Kritiker der PiS-Regierung. Auffällig auch: Die meisten Angriffe via Pegasus erfolgten im Vorfeld der polnischen Parlamentswahl 2019. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Ungarn, wo Oppositionspolitiker und Journalisten betroffen waren.

Traut man Ungarns Premier Viktor Orban jede Schweinerei zu, so überrascht es doch, dass Pegasus auch in einer scheinbar gefestigten Demokratie wie Spanien zum Einsatz kam. Hier traf es sogar EU-Parlamentarier, die am Donnerstag vom PEGA-Ausschuss befragt wurden. »Allein in der Region Katalonien waren mindestens 65 Menschen betroffen«, wie Ausschuss-Vize Diana Riba i Giner betonte. Auch das Smartphone der katalanischen Abgeordneten war infiziert. »Ich weiß immer noch nicht, wer mich ausspioniert und warum«, so Riba i Giner. Tatsächlich darf Pegasus in Spanien nicht ohne richterliche Genehmigung eingesetzt werden. »Wenn ein Richter das angeordnet haben soll, dann wäre das ein noch größerer Skandal«, so die Parlamentarierin. Denn offiziell liegt gegen die Abgeordnete nichts vor.

Auch Jordi Sole aus Katalonien, wie seine Kollegin Mitglied in der Grünen-Fraktion, war von der Online-Schnüffelei betroffen. Er berichtete, dass die Software aktiviert wurde, als seine katalanische Partei, die Republikanische Linke, im Juni 2022 eine interne Diskussion über die richtige Strategie im Umgang mit einem vakanten Parlamentssitz führte. »Offenbar wollte jemand wissen, was wir planen«, so Sole vor dem Ausschuss.

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