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Erdoğan in der ersten Reihe

Beim Treffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft wurden die Autokraten aus Ankara und Baku hofiert

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die autokratisch regierenden Präsidenten der Türkei und Aserbaidschans wurden am Donnerstag beim ersten Treffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft in Prag wie Stargäste behandelt. Für das Foto der 43 teilnehmenden Staats- und Regierungschefs durften Recep Tayyip Erdoğan und Ilham Alijew in der ersten Reihe posieren. Neben ihnen standen der Gastgeber, Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala, und der französische Staatschef Emmanuel Macron. Von dem Franzosen stammte auch die Idee, dass sich die Staaten der Europäischen Union künftig regelmäßig mit ihren Nachbarn in Europa treffen, die nicht dem Staatenverbund angehören. Russland und Belarus wurden wegen des Kriegs in der Ukraine nicht eingeladen.

Allerdings gehen auch von der Türkei große Gefahren für den Frieden aus. Erdoğan nutzte den Gipfel, um erneut Drohungen gegenüber Griechenland auszusprechen. »Welches Land auch immer uns stört, welches Land auch immer uns angreift, unsere Reaktion wird immer sein, zu sagen: Wir könnten zweifellos mitten in der Nacht kommen«, erklärte der türkische Präsident. Seine Drohung, mitten in der Nacht anzugreifen, gehört zum festen Repertoire Erdoğans. Er hatte sie auch vor den Überfällen auf kurdische Gebiete im Irak und in Syrien ausgesprochen.

Bereits Anfang September hatte Erdoğan deutlich gemacht, dass er Griechenland im Visier hat. Er bezog sich auf die angebliche Ausrichtung eines griechischen Luftverteidigungssystems auf türkische Kampfjets. Außerdem warf er der griechischen Regierung eine Militarisierung griechischer Inseln in der Ostägäis vor. Athen bestritt diese Vorwürfe und berief sich unter anderem auf sein Recht auf Selbstverteidigung. Trotz der Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei ist es unwahrscheinlich, dass es bald zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt. Beide Länder sind schließlich Mitglieder der Nato.

Ein weitaus größeres Problem ist aus Sicht vieler EU-Staaten, dass die Türkei die Sanktionen gegen Russland unterläuft. Der Handel zwischen den beiden Ländern floriert und die Türkei hat kein Interesse daran, westliche Sanktionen umzusetzen. Allerdings zeigt sie auch keine offene Unterstützung für Russland in dem Krieg. Moskau hatte während des Sommers Interesse an türkischen Kampfdrohnen angemeldet. Die Hersteller der Bayraktar-Drohnen stellten jedoch Ende August klar, dass sie Russland nicht beliefern würden. Stattdessen hatte die Ukraine entsprechendes Kriegsgerät aus der Türkei erhalten.

Erdoğan behauptet, er müsse neutral sein und könne somit eine vermittelnde Rolle beim Krieg in der Ukraine einnehmen. Er hatte die Konfliktparteien immerhin in den vergangenen Monaten an einen Tisch gebracht. Allerdings gab es dabei keine Aussicht auf eine friedliche Lösung.

In Prag führte der französische Präsident nun ein bilaterales Gespräch mit Erdoğan über die Sanktionspolitik. Welche Wirkung diese Zusammenkunft hatte, wird sich noch zeigen. Die Türkei kann in vielen Bereichen autonom handeln, da sie diverse Druckmittel gegen die westlichen Staaten in der Hand hat. Um dies einmal mehr zu demonstrieren, drohte Erdoğan am Rande des Treffens erneut damit, den Beitritt Schwedens zur Nato zu blockieren. Der skandinavische Staat und das benachbarte Finnland hatten wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine bereits Mitte Mai die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Erdoğan verlangt, dass die Regierung in Stockholm schärfer gegen linke kurdische Oppositionelle vorgeht, die der türkische Staatschef als Terroristen bezeichnet.

Ein weiteres Mitglied der Europäischen Politischen Gemeinschaft ist die Ukraine. Deren Präsident Wolodymyr Selenskyj hielt eine Videoansprache, die in der tschechischen Hauptstadt übertragen wurde. Selenskyj forderte weitere Waffenhilfen. Er behauptete, dass somit verhindert werden könne, »dass russische Panzer nach Warschau oder Prag fahren«. Russland müsse »bestraft« und der Krieg »jetzt gewonnen werden«, betonte Selenskyj.

Weitere Hilfen in dem militärischen Konflikt dürfte er bald unter anderem aus Frankreich erhalten. Die dortige Regierung erwägt nach den Worten von Emmanuel Macron die Lieferung weiterer Caesar-Haubitzen an die Ukraine. Paris könne Kiew möglicherweise sechs bis zwölf weitere liefern, die ursprünglich für Dänemark bestimmt waren, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus informierter Quelle. Zudem prüfe Frankreich die Lieferung von 20 gepanzerten Fahrzeugen vom Typ Bastion.

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