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Mit der Tram M17 in die Gropiusstadt
Neue Straßenbahnverbindung von Schöneweide in die Großsiedlung soll 2029 in Betrieb gehen
»Schon vor 20 Jahren ist uns die Straßenbahn zum Zwickauer Damm versprochen worden. Hätte es sie damals gegeben, wäre ich in Johannisthal-Süd wohnen geblieben«, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB zu »nd«. Er kann angesichts der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte noch nicht recht glauben, dass bereits in sieben Jahren auf der Verbindung von Johannisthal in Richtung Gropiusstadt Züge rollen werden.
Doch genau das hat die Senatsmobilitätsverwaltung bei ihrer Auftaktveranstaltung zur frühzeitigen Bürgerbeteiligung am Donnerstagabend bekannt gegeben. Neben zahlreichen Verantwortlichen für die Planung aus der Mobilitätsverwaltung, den Ingenieurbüros und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) hatten sich auch über 100 Interessierte in die Runde zugeschaltet.
Bisher wird die Ost-West-Verbindung vom Bahnhof Schöneweide in die Großwohnsiedlung durch die Buslinien M11 und X11 sichergestellt. »Die Buslinie kommt langsam an ihre Kapazitätsgrenze«, sagt Ingolf Berger vom Planungsbüro Rambøll. In der Voruntersuchung wurden alle erdenklichen Möglichkeiten geprüft, berichtet er. Zwei U-Bahn-Varianten, eine S-Bahn-Verbindung, eine zusätzliche Buslinie und eben die Straßenbahn. »Es war überraschend, mit welchem Abstand die Straßenbahn vor allen Varianten lag«, so Planer Berger. Sie bietet das Optimum aus Kapazität, Geschwindigkeit, Erschließung und Kosten. U- oder S-Bahnen sind zwar schnell, aber sehr teuer im Bau und haben weniger Stationen. Parallel müsste noch eine Buslinie verkehren, um das Gebiet zu erschließen. Außerdem wären die Züge nicht wirklich ausgelastet. Der Bus wiederum wäre bald überlastet. »Wir würden die Fahrgäste mit dem Bus vielleicht gerade noch wegbekommen, aber es wäre keine angenehme Fahrt«, sagt Berger.
Die Straßenbahn hat einen ähnlichen Haltestellenabstand wie der Bus, durch die deutlich längeren Züge aber mehr Kapazität, und sie ist schneller. Genauer geplant werden nun zwei Varianten. Ab Beginn der großen Blockumfahrung in Johannisthal führen beide zunächst den Sterndamm entlang, um dann in die Stubenrauchstraße einzubiegen. Eine Variante würde dann geradeaus weiterführen zum U-Bahnhof Zwickauer Damm der U7. Sie wäre knapp 3,6 Kilometer lang, die Tram bräuchte etwas über eine Viertelstunde vom Bahnhof Schöneweide bis dahin. Die andere Variante würde von der Stubenrauchstraße über die Neuköllner Straße in die Fritz-Erler-Allee einbiegen und schließlich über die Johannisthaler Chaussee den gleichnamigen U-Bahnhof erreichen. Sie ist etwas über sechs Kilometer lang, die Fahrzeit ab Schöneweide läge bei rund 21 Minuten.
Im Gegensatz zu anderen geplanten Strecken stellt die Querung des Teltowkanals kein Problem dar. Denn auf der 2003 fertig gestellten neuen Massantebrücke wurde die Straßenbahn berücksichtigt. Aber es gibt auch einige Knackpunkte, etwa eine Engstelle am Sterndamm oder das Gütergleis entlang der Stubenrauchstraße. Außerdem müssten nach den derzeitigen Annahmen viele Bäume weichen, um Tram, Radwege und Autospuren unterzubringen, unter anderem eine ganze Baumreihe an der Fritz-Erler-Allee. Das Gütergleis zur Anbindung des Tanklagers soll in die Straßenbahntrasse integriert werden. Rechtlich würde es sich um einen über einen Kilometer langen Bahnübergang handeln. Fährt ein Güterzug, muss der Straßenbahnverkehr immerhin für bis zu 15 Minuten unterbrochen werden. Allerdings sind sehr selten Züge auf dem Abschnitt unterwegs.
An den möglichen Pausen aufgrund des Güterverkehrs, dem Verlust von Parkplätzen und vor allem den Baumfällungen entzündet sich Kritik. Gezweifelt wird auch daran, ob es der Senat entgegen bisheriger Berliner Erfahrungen hinbekommt, dass die Straßenbahn an der Engstelle auf dem Sterndamm nicht im Autostau steht. Noch ist aber nichts in Stein gemeißelt, erklären die Vertreter der Mobilitätsverwaltung. Der Vorrang für den Umweltverbund aus Bahnen und Bussen, Fahrrad- und Fußverkehr gelte allerdings und man werde alles tun, »um das Thema Entsiegelung und Schwammstadt voranzutreiben«, sagt Hartmut Reupke, Abteilungsleiter Mobilität in der Verwaltung.
Einem Vertreter der BVG zufolge sieht es danach aus, dass künftig die Linie M17 dann von Hohenschönhausen bis zur Gropiusstadt fahren soll, die Verbindung von Schöneweide nach Adlershof müssten dann andere Linien übernehmen. Aber auch hier ist noch nichts festgezurrt. Für die Bauarbeiten bis zur geplanten Eröffnung 2029 sind anderthalb Jahre angesetzt.
Anderer Ort, teils ähnlicher Ärger: Bereits gebaut wird an der Tramtrasse vom Hauptbahnhof zur Turmstraße. Laut Mobilitätsverwaltung geht man weiterhin davon aus, dass die M10 dort ab dem zweiten Quartal 2023 fahren wird, wie es auf nd-Anfrage heißt.
Streit gibt es um die rund 3,5 Kilometer lange geplante Verlängerung über den U-Bahnhof Turmstraße hinaus bis zum Bahnhof Jungfernheide, insbesondere um den Abschnitt in der Turmstraße. »Die Planung, die die Verwaltung vorgestellt hat, greift massiv in die Gehwege ein. Zumindest auf der Nordseite müssten sie komplett neu gebaut werden, weil genau in dem Bereich, wo die Masten für die Oberleitung gesetzt werden sollen, die Wasser- und Gasleitungen verlaufen«, sagt Wulf Heineking zu »nd«. Der inzwischen pensionierte ehemalige Straßenbahn-Chefplaner der BVG spricht nun für die Stadtteilvertretung Turmstraße. Auch er kritisiert, dass viele Bäume für die geplante eigene Tramtrasse gefällt werden müssten. »Das wäre nicht nur sehr teuer, sondern auch eine Katastrophe für die Turmstraße, die als Geschäftsstraße ihre Probleme hat. Ganz zu schweigen davon, dass die Haltestellen, die 82 Meter lang geplant werden, um eine Straßenbahn und einen Bus hintereinander aufzunehmen, wegen der Hauseinfahrten nur teilweise barrierefrei wären – bei einem Neubau!«, empört sich Heineking.
»Unsere Lösung mit einem etwas verbreiterten Mittelstreifen bewahrt den Charakter der Straße, erhält die Bäume und bietet viele Querungsmöglichkeiten. Die Straßenbahn-Haltestellen könnten komplett barrierefrei auf dem Mittelstreifen untergebracht werden und es würden auch keine Konfliktbereiche mit dem Radverkehr produziert«, erläutert er. Man bräuchte nur am Beginn der Trasse eine sogenannte Pförtnerampel, die die Autos erst nach der Straßenbahn in den Abschnitt einfahren lässt. »Danach kann er sowieso nicht mehr überholt werden«, so Heineking. Im weiteren Verlauf der Strecke nach Jungfernheide sei in der Kaiserin-Augusta-Allee in Charlottenburg genau diese Lösung vorgesehen, obwohl dort mehr Individualverkehr unterwegs sein dürfte.
Ende September hat sich auch der Kreisverband der Grünen in Mitte inklusive der Bezirks-Verkehrsstadträtin Almut Neumann für den Alternativentwurf ausgesprochen. »Ich bin bereits in konstruktiven Gesprächen mit der Senatsverwaltung zur Tramplanung in diesem Abschnitt«, so Neumann im Anschluss. Der Beschluss der Mitgliederversammlung gebe ihr »den Rückenwind, mich dort noch einmal mehr dafür einzusetzen, dass – ohne die Tram unnötig zu verlangsamen – so viele Baumstandorte wie möglich erhalten bleiben und dem Fuß- und dem Radverkehr so viel Platz wie möglich bleibt«.
Heineking kritisiert, dass die Verwaltung nicht auf den Vorschlag der Stadtteilvertretung eingeht. »Dabei schließt sich gerade das letzte Fenster, wo man noch zeitlich und finanziell mit einem blauen Auge davonkommt, wenn man die Planungen ändert«, sagt er. Inzwischen sei die Entwurfsplanung für die Strecke angelaufen, die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren sollen in der ersten Jahreshälfte 2024 eingereicht werden, heißt es von der Mobilitätsverwaltung. Eröffnen soll die Strecke 2028. »Es wird viel Zeit und Geld kosten, wenn man unsere Einwände erst im Planfeststellungsverfahren berücksichtigen muss«, sagt Wulf Heineking.
Der Fahrgastverband IGEB ist skeptisch. »Wir haben einfach oft genug erlebt, dass Pförtnerampeln in Berlin nicht zur Bevorrechtigung der Straßenbahn führen«, begründet das dessen Sprecher Jens Wieseke gegenüber »nd«. »Wir könnten uns so eine Lösung vorstellen, wenn die Turmstraße komplett für den Durchgangsverkehr gesperrt wird«, sagt er. Er zweifelt aber, dass sich die Mobilitätsverwaltung dazu durchringen kann. »Die Planung an dieser Stelle gehört komplett neu aufgesetzt«, so seine Forderung.
In der zweiten Jahreshälfte 2024 sollen nach Angaben der Senatsmobilitätsverwaltung die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren für die rund 3,3 Kilometer lange Neubaustrecke vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz eingereicht werden. »Frühestens 2029« wurde laut bisher letztem Stand mit einer Eröffnung gerechnet. Doch der Termin scheint zu wackeln. »Aufgrund vertiefter Planungserkenntnisse wird der weitere Zeitplan derzeit überprüft«, schreibt Verwaltungssprecher Jan Thomsen auf nd-Anfrage.
Nichts Neues kann die Verwaltung zur Straßenbahn Ostkreuz vermelden. Die Verlegung der Straßenbahnlinie 21 von der Boxhagener Straße hin zum Bahnknotenpunkt hängt weiter in der Warteschleife. Die Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren müssen wegen diverser Fehler ein drittes Mal ausgelegt werden. Doch zuvor ist eine Einigung mit der Feuerwehr zum Thema Rettungswege im Brandfall nötig, die offenbar weiter aussteht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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