Nordkorea lehnt sich an Russland an

In Ostasien wachsen die Spannungen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.

Nordkorea hat am Wochenende erneut zwei ballistische Raketen Richtung Osten ins Meer abgefeuert. Nach Angaben der südkoreanischen Armee war es bereits der siebte Raketenstart binnen zwei Wochen. Die Raketen wurden nach Angaben des südkoreanischen Militärs am frühen Sonntagmorgen von Nordkorea aus Richtung Osten ins Meer abgefeuert.

Das durch UN-Sanktionen belegte Nordkorea fühlt sich durch seine Nähe zu Russland bestärkt.
Ende vergangener Woche wurde es wieder laut über dem Himmel der Halbinsel. Zwölf nordkoreanische Flugzeuge, davon vier Bomber, flogen in Formationen nahe der Grenze zum Süden und machten Schießübungen. Als das Verteidigungsministerium Südkoreas dies bemerkt hatte, schickte es sofort selbst 30 Flieger in die Gegend. Und tags zuvor hatte das US-Militär schon seinen nukleargetriebenen Flugzeugträger »USS Ronald Reagan« nach kürzlichen Manövern erneut ins Gewässer östlich des koreanischen Festlands entsandt. Alle Seiten sind höchst alarmiert.

Rund um die nordkoreanische Halbinsel ist gerade eine turbulente Woche vergangen – die womöglich in noch stürmischere Wochen münden wird. Denn nicht nur in Südkorea und den verbündeten USA wird davon ausgegangen, dass Nordkorea demnächst auch wieder einen Atomtest durchführen könnte. Es wäre die nächste Eskalationsstufe im geteilten Korea, wo der Norden in den letzten Wochen ohnehin ein hohes Pensum hingelegt hat: Auch in Reaktion auf Militärübungen zwischen den USA, Südkorea und Japan machte Nordkorea binnen zwei Wochen sechs Raketentests.

Allein diese bisher nie da gewesene Häufigkeit, mit der nordkoreanische Raketen dieser Tage durch die Luft fliegen, sorgt in Japan und Südkorea, den je wichtigsten Partnern der USA im Pazifik, für Nervosität. Aber auch die Beschaffenheit der Raketen zeugt von gesteigerter militärischer Kraft Nordkoreas. Am Dienstag flog etwa ein Geschoss mit 1000 Kilometern Höhe und 4600 Kilometern ostwärts so weit wie noch nie, über die japanischen Inseln hinweg, und landete im Pazifik. Japans Premierminister Fumio Kishida mahnte die japanische Bevölkerung, sich nicht unter freiem Himmel aufzuhalten.

Es war eine in Japan selten deutliche Warnung nach nordkoreanischen Raketentests, an die man sich in der Region über die Jahre längst gewöhnt hat. Doch auch, wer von Rüstung wenig versteht, bemerkt: Der Ein-Parteien-Staat Nordkorea rasselt mit seinen Säbeln so laut wie nie, so oft wie nie. Mehr als 20 Tests wurden seit Jahresbeginn durchgeführt. Im laufenden Jahr wurden vom nordkoreanischen Territorium mehr als 40 Raketen geschossen.

Über die Gründe hierfür gibt auch der jeweilige Zeitraum Auskunft. Konkret feuert Nordkorea häufig dann Raketen ab, wenn die USA, die in Südkorea und Japan Militärstützpunkte unterhalten, diese zwei Staaten besuchen oder eigens Militärübungen in der Region durchführen. Schließlich verharrt Nordkorea seit Beginn des Koreakriegs, der 1950 begann und drei Jahre später nur in einem Waffenstillstand endete, mit Südkorea und den USA im Kriegszustand.

Diplomatische Versuche, die verhärteten Fronten zu lockern und für Verständigung zu sorgen, sind immer wieder an den jeweiligen Bedingungen gescheitert. Nordkorea fühlt sich durch die Militärpräsenz der USA bedroht, die wiederum von Nordkorea die nukleare Abrüstung fordern, damit Verhandlungen über einen Friedensvertrag erst beginnen können. Wiederholte Raketentests Nordkoreas haben über die Jahre zu harten UN-Sanktionen gegen Nordkorea geführt, was das arme Land, das neben Südkorea auch Grenzen mit China und Russland hat, ökonomisch hart getroffen hat.

Kein Staat ist über die vergangenen Jahre so deutlich isoliert gewesen wie Nordkorea. Doch mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich dies zu ändern begonnen. In der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang hat man den Angriff Russlands auf die Ukraine als große Chance erkannt – nämlich um die extreme diplomatische Isolation des diktatorisch regierten Einparteienstaats aufzubrechen und auch ohne das Wohlwollen des Westens oder der internationalen Gemeinschaft freundschaftliche Kontakte zu knüpfen.

So zählte Nordkorea im Juli zu den ersten Staaten, die die von Russland unterstützten Separatistengebiete Donezk und Luhansk offiziell anerkannten. Die ukrainische Regierung brach daraufhin zwar die diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea ab. Aber das dürfte in Pjöngjang niemanden überrascht haben. Staatschef Kim Jong-un deutete dagegen an, nordkoreanische Arbeiter in die Separatistengebiete zu schicken, um die in vom Ukraine-Krieg beschädigten Gebiete wiederaufzubauen.

Freudige Reaktionen folgten schnell. Denis Pushilin, Führer der Separatistenbewegung in Donezk, äußerte gleich auch den Wunsch, mit Nordkorea auf ökonomischer Ebene zu kooperieren. Mit Luhansk soll es einen ähnlichen Austausch geben. Dies wiederum stärkt die Beziehung zu Russlands Präsident Wladimir Putin, der kürzlich die Annexion mehrerer Gebiete verkündete. So hat sich in Bezug auf die wiederholten Raketentests nun nicht nur China, sondern auch Russland mit Nordkorea solidarisiert. Verantwortlich für das Verhalten in Pjöngjang seien die Aggressionen der USA.

Durch die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate sieht sich die nordkoreanische Regierung bekräftigt. Für die über Jahre immer wieder gestellten Forderungen westlich orientierter Staaten, man möge sein atomares Rüstungsprogramm verschrotten und werde im Gegenzug ökonomische Hilfen erhalten, interessiert man sich in Pjöngjang offenbar nicht mehr. Anfang September erließ Nordkorea ein Gesetz, durch das es sich selbst zur Atommacht erklärte. Damit ging die Verkündung einher, dass dieser Status »irreversibel« sei.

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