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Dem FC Bayern fehlt der Knipser

In der Liga unzufrieden, hoffen die Münchner aufs schnelle Weiterkommen in Europa

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Neuzugang Sadio Mané (l.) konnte im Münchner Sturm den Abgang von Robert Lewandowski bislang noch nicht kompensieren.
Neuzugang Sadio Mané (l.) konnte im Münchner Sturm den Abgang von Robert Lewandowski bislang noch nicht kompensieren.

In die kühlgemäßigte Zone wird die Stadt Plzeň von Meteorologen eingeordnet und damit auch die dortige Fußballarena. Doch was unspektakulär klingt, dürfte zumindest an diesem Mittwoch (Anstoß 21 Uhr) nicht ganz zutreffend sein, wenn Viktoria Plzeň den FC Bayern München zum Gruppenspiel der Champions League empfängt. In das kleine Stadion mit seinen gerade mal 11 700 Sitzplätzen werden die Münchner ja ihr aktuelles Reizklima mitbringen, nachdem sie am Dienstag im Mannschaftsbus die knapp 300 Kilometer lange Strecke von ihrem Vereinsgelände bis zu ihrem Hotel unweit der Spielstätte von Tschechiens Meister hinter sich gebracht haben.

Wie sehr die am Sonnabend in der Bundesliga verspielte 2:0-Führung beim 2:2 in Dortmund noch immer nachwirkt, lassen jene Debatten erkennen, die unter reger Anteilnahme der Münchner Granden geführt werden. »Bayern-DNA verzweifelt gesucht«, war zum Beispiel am Dienstag in der heimischen »Abendzeitung« zu lesen. »Überfordert Bayern Nagelsmann?«, fragte die »tz«. Dass nebenbei auch »der nächste Personal-Alarm« ausgerufen wurde, fügte sich ins Bild der allgemeinen Aufgekratztheit, die nicht nur den Boulevard erfasst hat.

In Plzeň fällt nun auch noch der formstarke Nationalspieler Jamal Musiala wegen einer Corona-Infektion ebenso aus wie Alphonso Davies (Schädelprellung), Manuel Neuer (Schulterprellung) und die Langzeitverletzten Lucas Hernández (Muskelbündelriss) und Bouna Sarr (Knie-OP). Zuletzt hatte es bereits Neuer, Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Thomas Müller mit Covid-Erkrankungen getroffen. Angeschlagen waren zudem Matthijs de Ligt (Adduktoren) und Serge Gnabry (Knieprellung) aus Dortmund zurückgekehrt. Und zumindest im übertragenen Sinne gilt das ja auch für Trainer Julian Nagelsmann. Nach nur einem Sieg in den jüngsten sechs Ligaspielen (bei vier Remis und einer Niederlage) kann der 35-Jährige schließlich nur eine fürs bayerische Selbstverständnis insgesamt schwache Bilanz vorweisen. Vier Siege in neun Ligaspielen sind zu wenig.

Dagegen läuft es in der Champions League bisher rund, wenngleich die 2:0-Erfolge bei Inter Mailand und gegen den FC Barcelona nicht so souverän erreicht wurden, wie es das Ergebnis jeweils vermuten lassen könnte. Dem zweifellos sehr souveränen 5:0 in der ersten Verabredung mit Plzeň am Dienstag vor einer Woche soll nun der vierte Sieg im vierten von sechs Gruppenspielen folgen. Bestenfalls aus Sicht der Münchner könnte damit schon der vorzeitige Einzug ins Achtelfinale erreicht werden. Das wäre dann der Fall, wenn Barcelona im Parallelspiel gegen Inter nicht gewinnen sollte. Andernfalls könnten die Bayern sogar noch ausscheiden, unabhängig davon, ob sie beim tschechischen Meister gewinnen oder nicht. Doch von derart pessimistischen Theorien sind die Münchner trotz aller Enttäuschungen in der Bundesliga weit entfernt.

Der Druck allerdings wird vor allem in Bezug auf die Meisterschaft vernehmbar erhöht. Seinem Wutausbruch auf der Tribüne hatte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn noch in Dortmund Nachdruck verliehen, als er forderte: »Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen.« Und: »Wir müssen schnell wieder auf Platz eins.« Zudem mahnte er eine »Ergebnisstabilität« an. Konstant unentschieden zu spielen, reicht ihm offensichtlich nicht. Tags darauf äußerten sich auch Ehrenpräsident Uli Hoeneß und sein aktueller Nachfolger Herbert Hainer im Bayerischen Rundfunk kritisch und fordernd. »Das ist eigentlich nicht Bayern-like«, sagte Hoeneß über die verschenkte Siegchance in Dortmund und leistete seinen Beitrag zur Mittelstürmer-Debatte: »Ich glaube, dass uns schon ein Neuner fehlt«, sagte Hoeneß, »ein Mittelstürmer oder ein Knipser, den haben wir zur Zeit leider nicht. Jetzt müssen Julian und die Mannschaft eben versuchen, das irgendwie anders zu kompensieren.« Über Sturmkandidaten wird bereits fleißig spekuliert, wie etwa über den im kommenden Sommer ablösefreien Marcus Thuram von Borussia Mönchengladbach.

Doch vorerst muss es die aktuelle Münchner Belegschaft richten. Und zwar schleunigst, wie Hainer nur wenige Stunden nach Kahn und Hoeneß ausführte. »In der Bundesliga sind wir definitiv nicht zufrieden. Wenn wir von neun Spielen nur vier gewinnen, dann ist das nicht der Anspruch des FC Bayern, das muss man ganz klar sagen«, ließ Hainer wissen. »Deswegen müssen wir jetzt sofort in die Spur kommen und punkten in der Bundesliga, um wieder ganz nach vorne zu kommen.« Darum wird es aber erst am Sonntag gehen, wenn der Tabellenzweite SC Freiburg zum Dritten FC Bayern kommt. Am Abend zuvor steht bei den Münchnern die Jahreshauptversammlung an. Dann wird es im aktuellen Reizklima auch um das Reizthema Katar gehen.

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