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Die Armen müssen zahlen
Vom 2019 entwickelten »Notfallplan Gas« für die Bundesrepublik ist nicht viel übrig geblieben
Die Expert*innenkommission der Bundesregierung zur Energiepreiskrise hat mit ihren Vorschlägen die zu Recht geringen Hoffnungen vieler Menschen noch unterboten. Der Vorschlag beschränkt sich auf die technisch kaum umzusetzende Übernahme einer Abschlagszahlung im Dezember und die Teilübernahme von Gaskosten erst nach dem Winter. Bei vielen sollen die Wohnungen in den kommenden Monaten also kalt bleiben. Die Einsparung von Gas zur Vermeidung einer Notfalllage wird über die Interessen einkommensschwacher Haushalte, auch von auf Wärme besonders angewiesenen Rentner*innen und Erkrankter, gestellt.
Die Kommission nennt die Zusammenstellung aus verschiedenen Mechanismen eine »Gaspreisbremse«. Sie bemisst sich am bisherigen, tatsächlichen Verbrauch. Für 80 Prozent der Menge dieses bisherigen Verbrauchs soll dann künftig ein garantierter, relativ günstiger Preis gelten. Die Differenz wird vom Staat beglichen – und zwar unabhängig davon, ob der Haushalt schon in der Vergangenheit aus Armutsgründen an der winterlichen Wärme sparen musste oder ob nur der sommerliche Trip in ein Urlaubsparadies am anderen Ende der Welt auf dem Spiel stand.
Schon geht die Rede vom Pool um, den sich Villabesitzer*innen künftig vom Staat finanziert auf angenehme Temperaturen heizen lassen. Die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs müssen zu den explodierten Marktpreisen bezogen werden – was je nach Einkommen sehr unterschiedliche Konsequenzen für das Leben der Verbraucher*innen hat. Doch auch abseits von Pools und Villen wird klar: Wer reich ist, dem greift der Staat stärker unter die Arme als denen, die es dringend nötig hätten.
Laut Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung etwa gaben vor der Krise die ärmsten zehn Prozent einen etwa dreimal so hohen Anteil ihres Einkommens für den Betrieb von Gasheizungen aus als die reichsten zehn. Dabei verbrauchen letztere viermal so viel Energie als die 40 Prozent der Menschen mit den geringsten Einkommen. Auf beide Gruppen, die zehn Prozent und die 40 Prozent, kommen so jeweils etwa 23 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs der Haushalte. Übrigens warnt der Vermieter*innenverband Haus und Grund bereits, dass die Erstattung der Abschlagszahlung im Dezember durch die Wohnungseigentümer*innen kaum zu leisten sein wird, denn gerade private Vermieter*innen sind selbst von Insolvenzen bedroht.
Dort, wo auch mit Blick auf eine drohende Gasmangellage besonders viel Einsparpotenzial zu holen wäre und wo die 20 Prozent nicht gebremsten Gaspreises locker gestemmt werden, könnte der Staat also demnächst seine Großzügigkeit zeigen. Der Rest der Menschen wäre schon aus puren Existenzgründen darauf angewiesen, 20 Prozent Gas einzusparen – nur, um nicht mit Schlimmerem als mit zwei blauen Augen davonzukommen. Und das gilt noch nicht einmal für den kommenden Winter. In dessen Heizkosten geraten diese Haushalte »ungebremst« hinein. Spätestens die erste Abrechnung samt Nachforderung im phantastischen Zahlenbereich dürfte sicherstellen, dass Heizen und Duschen für erhebliche Teile der Bevölkerung zum No-Go werden. Für Industriekunden, die in Deutschland etwa 60 Prozent des Gesamtverbrauchs an Gas ausmachen, soll die »Gaspreisbremse« übrigens schon ab Januar gelten. Wieso auch Kartoffeln, wenn man Stahl kochen kann?
Was ein Hohn auf die Idee des »Notfallplans Gas«, in dem so lange die Priorisierung der Privathaushalte gegenüber Industrieabnehmer*innen festgeschrieben worden war. Dass es im Zweifelsfall wenigstens zu Hause warm zu sein hat, das gehört der Vergangenheit an. Die Lobbyarbeit der Industrieverbände hat gewirkt. Um die juristisch festgeschriebene Auslösung dieses die Privatverbraucher*innen im klirrenden Winter eigentlich schützenden Mechanismus zu vermeiden, werden die einkommensschwachen Privatverbraucher*innen auf ein Verhütungsverhalten verpflichtet, das auf sein Gegenteil hinausläuft. Es sind also, mal wieder, wir Armen, die die Krise bezahlen.
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