»Breite Anerkennung für Minderheiten«

Thailands indigene Gruppen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, um ihre Anerkennung durchzusetzen

  • Thomas Berger, Chiang Mai (Thailand)
  • Lesedauer: 4 Min.
In Thailand leben rund 60 indigene Gruppen. Die Mädchen gehören zu den Longnecks.
In Thailand leben rund 60 indigene Gruppen. Die Mädchen gehören zu den Longnecks.

Sie sind seit langer Zeit in Sachen Rechte indigener Gruppen an vorderster Front aktiv. Was ist derzeit das zentrale Projekt?

Interview

Sakda Saenmi (56) ist Generalsekretär des Council of Indigenous Peoples in Thailand (CIPT). 17 Jahre stand er zuvor als Geschäftsführer an der Spitze von IMPECT – der ebenso auf Bildungsprojekte und Kulturerhalt wie politische Teilhabe orientierten Vereinigung Inter Mountain Peoples Education and Culture in Thailand. Beide sitzen in Chiang Mai, wo sich Thomas Berger mit Sakda Saenmi unterhielt.

Seit rund drei Jahren versuchen wir, unseren eigenen Gesetzentwurf zu bewerben, den wir inzwischen beim Parlament eingereicht haben. Von dessen Vorsitzendem ist er nunmehr offiziell auf die Agenda für die anstehenden Beratungen gesetzt worden. Wir stehen auf einer Liste mit 30 bis 40 aktuellen Gesetzentwürfen an Stelle 23. Das ist eine Herausforderung für die nächste Zeit. Wir hoffen, dass er damit in der kommenden parlamentarischen Sitzungsperiode zwischen November und März auf den Tisch kommt.

Was ist der Inhalt dieses Entwurfs?

Wir fokussieren uns darauf, wie die Regierung in Zukunft mit den indigenen Menschen umgehen soll. In der Vergangenheit war in der Politik ja nicht sonderlich viel Bewusstsein für diese Frage vorhanden. Das neue Gesetz, wenn es durchkommt, soll erstmals breite Anerkennung für die Minderheiten bringen. In einer zweiten Stufe geht es um die konkrete Aufwertung des Rats indigener Völker in Thailand (Council of Indigenous Peoples in Thailand-CIPT) als Interessenvertretung der Indigenen. Diese dürfen wir laut Verfassung zwar haben, es mangelte aber bisher an genauerer Ausgestaltung im Detail, wie der Rat von der Regierung eigentlich akzeptiert und einbezogen wird. Und ein dritter Punkt ist die Unterstützung der Bewegung und einzelner Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es haben ja viele Gruppen ihre eigenen Netzwerke gebildet, in denen es schwerpunktmäßig etwa um Themen wie Staatsbürgerschaft oder Förderung von Rohstoffen in indigenen Siedlungsgebieten geht. Wir fordern momentan keineswegs die Festschreibung spezifischer Rechte, erhoffen uns aber mit einem Gesetz, dass der Einhaltung allgemeiner Menschenrechtsvorgaben gegenüber ethnischen Minderheiten größere Bedeutung beigemessen wird als bisher. Auf lokaler Ebene können wir teilweise schon Einfluss nehmen, im nationalen Maßstab fehlte es da bisher an Möglichkeiten.

Wie sehen Sie die Chancen, dass der Gesetzentwurf tatsächlich beschlossen wird?

Ich glaube, die stehen durchaus positiv, weil wir gute Vorarbeit geleistet haben. Und es geht erstmals darum, Indigene im Land grundsätzlich so anzuerkennen, wie diese sich selbst definieren. Hier in Chiang Mai arbeiten wir mit etwa 40 ethnischen Gruppen, insgesamt gibt es landesweit sogar an die 60 – alle mit ihren jeweiligen Sprachen, Traditionen, kulturellen Eigenheiten oder Wirtschaftsformen wie Wanderfeldbau. Da wir mit dem Gesetzentwurf ja nicht darauf abzielen, konkret etwas aus dem Haushalt haben zu wollen, also keine finanziellen Forderungen im Raum stehen, sehe ich die Chancen ganz gut, dass es unser Entwurf schaffen kann. In diesem Schritt geht es uns rein um das generelle Miteinander in der Gesellschaft. Und wir hoffen, in nächster Zeit auch noch direkter positiv auf die Abgeordneten einzuwirken.

Warum hat es eigentlich so lange bis zu diesem Punkt gebraucht?

Es geht vor allem darum, dass die neue Verfassung von 2017 erstmals die Möglichkeit eröffnet, über gesellschaftliche Gruppen mit einem Minimum von 10 000 Unterstützern selbst solche Gesetzentwürfe in den parlamentarischen Prozess einbringen zu können. Konkret erstellt worden ist unser Papier von einem 17-köpfigen Komitee. Die Vorarbeit, die dahintersteht, reicht aber rund zehn Jahre zurück. Und eben weil unser Entwurf nicht mit dem Haushalt verknüpft ist, hat wiederum die Regierung nicht unmittelbare Einflussmöglichkeit, sondern das ist tatsächlich eine primär rein parlamentarische Angelegenheit.

Sehen Sie eine Gefahr durch vorzeitige Neuwahlen?

Nicht unbedingt. Die Bearbeitung des Ganzen ist ja ein dreistufiger Prozess. Erst in den Ausschüssen, dann im Unterhaus, zum Schluss muss sich noch der Senat positionieren. Aber vielleicht geht es sogar etwas schneller als sonst, wenn Letzterer bereits frühzeitig eingebunden wird. Im schlimmsten Fall fällt die Entscheidung erst durch das nächste Parlament. Dann fangen wir aber nicht bei Punkt Null an, sondern viel an Vorlauf ist schon erledigt.

Was ist mit der schon kurz angeschnittenen Frage Staatsbürgerschaft. Ist die auch Inhalt des Entwurfs?

Ja, generell ist das inkludiert. Es gibt ja nach wie vor laut Angaben des Innenministeriums etwa 700 000 bis 800 000 Menschen, die nicht die notwendigen Dokumente haben; mehr als 50 Prozent davon sind Indigene. Bisher herrscht da bei den Behörden oft eine Negativattitüde, schon weil nicht wenige Angehörige der ethnischen Minderheiten nur eingeschränkt Thai sprechen, sich vordergründig in ihrer Muttersprache verständigen. Im Gesetzentwurf stehen zwar keine konkreten Vorgaben in Sachen Staatsbürgerschaft. Aber wir erhoffen uns von den allgemeinen Ausführungen dazu in Zukunft bessere Lösungen. Bisher dauern Prüfverfahren sehr lange, und nicht selten ist schon längst eine neue Generation da, während noch nicht mal die Eltern offiziell die Staatsbürgerschaft als Dokument vorliegen haben. Es gibt aber regionale Unterschiede im Umgang damit. In der Provinz Chiang Mai sind die Behörden etwas offener und schneller als anderswo.

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