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Knappe Ware Arbeitskraft
Gewerkschaft NGG warnt vor Fachkräftemangel im Gastgewerbe
An den Eingangstüren von Restaurants, Kneipen und Hotels sieht man sie dieser Tage häufig: Zettel mit der Aufschrift »Personal gesucht«. Denn geeignete Arbeitskräfte sind bereits so sehr zur Mangelware geworden, dass das Angebot in der Gastronomie eingeschränkt werden muss. Es gebe bereits Hotels, die nicht mehr alle Zimmer vermieteten, Restaurants würden Ruhetage einlegen und Tische als »reserviert« kennzeichnen, schlicht, weil ihnen das Personal fehlte, sie zu bedienen, erzählte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, am Dienstag in Berlin.
Die NGG wollte wissen, woher der massive Fachkräftemangel in ihrer Branche kommt und hat deswegen eine Umfrage unter Beschäftigten durchgeführt. Denn von einst rund zwei Millionen Beschäftigten haben seit der Corona-Pandemie 300 000 das Gastgewerbe verlassen.
»Über 80 Prozent der Beschäftigten waren während Corona in Kurzarbeit«, erklärt Zeitler die Abgänge. »Von dem wenigen Geld, das in der Gastronomie bezahlt wird, dann noch Kurzarbeitergeld zu beziehen, reicht zum Leben nicht aus.« Hinzu kommt: Viele Beschäftigte in der Branche sind Minijobber*innen. Sie bekamen im Lockdown gar kein Kurzarbeitergeld. Die Folge: Viele Beschäftigte orientierten sich um, suchten einen neuen, krisenfesteren Job und fehlen nun, wo das Geschäft wieder brummt.
Zeitlers Ausführungen decken sich auch mit den Umfrage-Ergebnissen. Mehr als 4000 Beschäftigte nahmen an der Befragung von Mai bis August dieses Jahres teil. Die meisten von ihnen blicken auf eine lange Berufserfahrung in der Branche zurück: 71 Prozent gaben an, bereits mehr als zehn Jahre im Gastgewerbe tätig zu sein. Um so ernüchterner ist das Umfrageergebnis. 72 Prozent erzählten, dass es nun weniger Kolleg*innen im Betrieb als vor der Pandemie gibt, lediglich rund ein Drittel gaben an, noch länger in der Branche arbeiten zu wollen. Fast ebenso viele verneinten die Frage.
Die Gründe sind neben der schlechten Bezahlung, die 80 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden bemängelten, die mangelnde Wertschätzung seitens der Arbeitgeber*innen (70 Prozent) sowie die hohe psychische Belastung (57 Prozent). Weitere 57 Prozent bemängelten, dass die Arbeitszeiten schwer mit dem Privatleben vereinbar seien. »Gastronomie macht langfristig krank. Ist man abgearbeitet, wird man entsorgt wie ein alter Lappen«, gab eine Person an, die an der NGG-Umfrage teilnahm. »Alles wird teurer. Die Gastronomie hinkt seit Jahren hinterher und bietet keinerlei Anreiz, in diesem Bereich zu arbeiten«, erklärte eine andere Person. Wenn sich die Arbeitgeber nicht bald etwas einfallen lassen, werde es bald niemanden mehr geben, der diesen Beruf ausüben möchte.
Im Gastgewerbe ist der Fachkräftemangel vielleicht besonders eklatant. Es ist bei Weitem aber nicht die einzige Branche, in der die Arbeitskräfte knapp sind. Rund zwei Millionen Stellen sind derzeit offen. Und daran wird sich langfristig vermutlich nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Denn die geburtenreichen Jahrgänge – die sogenannten Babyboomer – gehen in den kommenden Jahren in Rente. Bis 2030 werden fünf Millionen Menschen mehr in den Ruhestand gehen als in den Arbeitsmarkt neu eintreten, befürchtet zumindest der Arbeitgeberverband BDA.
Deshalb hat die Bundesregierung vergangene Woche eine Fachkräftestrategie beschlossen. Unter anderem mit gezielterer Aus- und Weiterbildung, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland soll der Personalmangel behoben werden. »Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung. Wir brauchen jeden klugen Kopf und jede helfende Hand, um wirtschaftlich stark zu bleiben«, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Gemeinsam mit den Sozialpartnern habe man die Fachkräftestrategie der Bundesregierung neu aufgestellt, um noch mehr Fachkräfte im In- und Ausland zu gewinnen.
Doch ganz so einig sind sich die Sozialpartner dann doch nicht. Zwar herrscht ein Konsens, dass mehr bei Aus- und Weiterbildung gemacht werden muss. Doch während der BDA etwa in seiner Stellungnahme zur Fachkräftestrategie ein »Update« für die Arbeitszeitkultur ins Spiel bringt und meint, dass »eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters nicht ausgeschlossen werden« dürfe, lehnen die Gewerkschaften solche Forderungen ab. Stattdessen fordern sie selbstbewusst bessere Löhne und Arbeitsbedingungen ein.
So stellt auch NGG-Chef Zeitler offensiv die Lohnfrage: »3000 Euro pro Monat, das muss für Fachkräfte in Zukunft das Minimum sein.« Gleichzeitig solle das Arbeitszeitgesetz nicht angefasst und die Tarifbindung gestärkt werden. Denn nur ein knappes Viertel der im Gastgewerbe Beschäftigten arbeitet in tarifgebundenen Unternehmen. Politische Initiativen wie die Fachkräftestrategie hält er indes für nebensächlich, stattdessen müsse sich etwas in den Betrieben ändern. »Das Gastgewerbe braucht einen echten Neustart«, so Zeitler.
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