Die strahlenden Verlierer

Minister der Grünen stellen sich nach dem Machtwort von Scholz in der AKW-Debatte gegen ihre Basis

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Wirtschaftsminister Robert Habeck steht nicht mehr auf der Seite von Umweltaktivisten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck steht nicht mehr auf der Seite von Umweltaktivisten.

Die Spitzenpolitiker der Grünen hatten dem Machtwort von Olaf Scholz wenig entgegenzusetzen. Wenige Stunden, nachdem der Brief des Bundeskanzlers bei den Ministern angekommen war, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montagabend in den ARD-Tagesthemen, dass er mit der Entscheidung von Scholz, wonach alle drei deutschen Kernkraftwerke bis April kommenden Jahres am Netz bleiben werden, gut arbeiten und leben könne. Der SPD-Politiker hatte von seiner Richtlinienkomptenz Gebrauch gemacht, weil sich die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP nicht einigen konnte. Dieses Recht des Kanzlers ist im Grundgesetz festgeschrieben und besagt, dass er seinen Ministern Weisungen über bestimmte Richtlinien erteilen kann. Scholz hat nun erstmals ein solches Machtwort gesprochen.

Er sah keinen anderen Weg, weil sich Grüne und FDP immer weiter voneinander entfernt hatten. Die Grünen hatten am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag in Bonn für den Reservebetrieb von nur zwei Kernkraftwerken bis Mitte April gestimmt. Die süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 sollten in diesem Zeitraum bei Bedarf weiter für die Stromerzeugung genutzt werden können. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland sollte laut Parteitagsbeschluss Anfang 2023 endgültig abgeschaltet werden. Scholz will es anders und seine Richtlinienkompetenz ist für die Minister verbindlich. Sie müssen nun entsprechende Gesetzesvorschläge machen.

Wenn diese vorliegen, werden sich die Blicke auf die Bundestagsfraktion der Grünen richten. Die Partei hatte jahrelang für den Ausstieg aus der Kernenergie gekämpft, der eigentlich zum Jahreswechsel gesetzlich festgeschrieben worden war. »Wir werden in der Fraktion dafür werben, dem Vorschlag des Bundeskanzlers zu folgen«, sagte die Vorsitzende Britta Haßelmann am Dienstag vor einer Sitzung ihrer Fraktion. Zwar betonte sie, dass der Weiterbetrieb des AKW Emsland fachlich nicht notwendig sei und es einige kritische Stimmen der Abgeordneten geben werde, aber die Fraktionsvorsitzende sah auch positive Aspekte. Mit der Entscheidung von Scholz sei »jetzt sichergestellt, dass der Atomausstieg längstens bis zum 15. 4. komplett zu Ende ist«, so Haßelmann. »Es werden keine neuen Brennelemente angeschafft.« Nach Kenntnis von Haßelmann reichen die Brennstäbe im Atomkraftwerk Emsland noch etwa bis Februar.

Das bestätigte auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies. »Zur Lösung der aktuellen Herausforderungen wird das AKW Emsland keinen wirklichen Beitrag leisten«, erklärte der Sozialdemokrat am Montagabend. »Wir haben im Norden nicht den Bedarf und schon jetzt sind die Brennstäbe im Wesentlichen aufgebraucht und die Leistung wird runtergefahren«, teilte Lies mit. »Und selbst mit einer Neukonfiguration der vorhandenen Brennstäbe wird nur eine begrenzte Leistung des Kraftwerks möglich sein.«

Die FDP hatte den Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke bis 2024 gefordert. Auch bereits stillgelegte Kernkraftwerke sollten nach Möglichkeit wieder hochgefahren und neue Brennstäbe angeschafft werden. Als Begründung führten die Freien Demokraten die Energiekrise seit dem russischen Angriff auf die Ukraine an. Die Grünen verwiesen hingegen auf die großen Gefahren der Atomenergie und den radioaktiven Müll, der entsteht.

Scholz ist nun beiden Seiten entgegengekommen. In seinem Schreiben steht auch, dass die Regierung »ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz« vorlegen werde. Die Vereinbarung zwischen dem Bund, Nordrhein-Westfalen und dem Energiekonzern RWE über ein Vorziehen des Kohleausstiegs in dem Bundesland auf 2030 werde zudem gesetzlich festgeschrieben. Außerdem werde die Bundesregierung »die Voraussetzung für den Zubau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke schaffen«.

Als Siegerin sah sich die FDP. Fraktionschef Christian Dürr lobte am Dienstag, dass sich der Kanzler ausdrücklich für einen »Leistungsbetrieb« der drei Atomkraftwerke bis zum 15. April ausgesprochen habe. Noch euphorischer reagierte Christian Lindner. »Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten«, schrieb der FDP-Chef auf Twitter. Der Vorschlag finde »die volle Unterstützung« der Partei. Offen bleibt, ob der Konflikt damit ausgestanden ist oder die FDP im kommenden Jahr ihre Forderungen nach länger laufenden Kernkraftwerken erneuern wird.

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