Die Suche nach dem Verbindenden

Streitthemen rund um den Ukraine-Krieg blieben beim »Solidarischen Herbst« in Berlin außen vor

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

»Solidarität hochhalten«, stand auf den roten herzförmigen Luftballons, die am Samstagmittag rund um den Invalidenpark in Berlin-Mitte in der Luft flogen. Dort fand die Auftaktveranstaltung des »Solidarischen Herbstes« in Berlin statt. Ein breites gesellschaftliches Bündnis hatte unter diesem Motto in verschiedenen Städten in Deutschland zu Protesten aufgerufen. Zu den Unterstützer*innen gehörten die Gewerkschaften Verdi und GEW, die globalisierungskritische Organisation Attac, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Kampagnenplattform Campact sowie die Umweltorganisationen BUND und Greenpeace.

Sie wollen angesichts der Inflation und Energiekrise für solidarische Lösungen vermehrt auf die Straße gehen. Zu den zentralen Reformvorschlägen gehören ein bundesweiter Mietendeckel, eine Übergewinnsteuer für Konzerne sowie eine Beschleunigung der Energiewende. »Der Kampf für soziale Forderungen und der Kampf gegen den Klimawandel gehören zusammen«, rief eine Frau ins Megaphon. Aus einem Block von jungen Demonstrierenden hallten Anticapitalista-Rufe. Viele der jungen Menschen, die sich dort eingereiht hatten, solidarisierten sich auf Transparenten auch mit dem von der Abbaggerung durch den RWE-Konzern bedrohten Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen.

Überraschend war, dass sich trotz des milden und sonnigen Oktoberwetters nicht so viele Menschen wie erhofft in die Demonstration einreihten. Von 6000 Teilnehmenden sprachen die Veranstalter*innen, die Polizei nannte niedrigere Zahlen. Im Vorfeld waren bis zu 20 000 Menschen erwartet worden. »Es ist schon bedauerlich, dass wir es selbst gemeinsam mit Verdi und GEW und anderen Großorganisationen nicht schaffen, mehr Menschen gegen die Krise auf die Straße zu bringen als die AfD vor zwei Wochen«, merkte eine junge Demonstrantin kritisch an. Sie bezog sich dabei auf die Demonstration der AfD vom 8. Oktober, als unter der nationalistischen Parole »Unser Land zuerst« mehr als 10 000 Menschen teilnahmen. Auch wenn die Demonstration beim solidarischen Herbst kleiner als erwartet war, nannte Christoph Bautz von Campact auf der Auftaktkundgebung die Veranstaltung auch eine Kampfansage an die AfD. Man habe gezeigt, dass man den Rechten nicht die Straße überlassen werde.

Zuvor hatten Beschäftigte der Berliner Krankenhausbewegung und der Stadtreinigung mit ihren Redebeiträgen für viel Applaus bei ihren Kolleg*innen gesorgt, die mit ihren Verdi-Fahnen nicht zu übersehen waren. Sie erinnerten auch an die Tarifkämpfe, die aktuell wieder anstehen und angesichts einer Inflation in zweistelliger Höhe einigen Konfliktstoff liefern könnten. Streiks seien keineswegs ausgeschlossen. Wenn es im kommenden Jahr dazu kommen sollte, hoffen die Beschäftigten auf die Unterstützung des Bündnisses. Die Kooperation zwischen gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten und sozialen Initiativen ist ein besonderes Anliegen des Kampagnenbündnisses »Genug ist genug«, das ebenfalls zum solidarischen Herbst aufgerufen hatte.

Zu den weitgehend ausgesparten Streitpunkten auf der Demonstration gehörten die Aufrüstung der Bundeswehr und das Embargo gegen russisches Gas nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. Im Vorfeld hatten die Sprecher*innen des Bündnisses »Solidarischer Herbst« erklärt, dass Parolen und Banner gegen das Embargo auf der Demonstration nicht erwünscht seien, weil sie als Entsolidarisierung mit der Ukraine verstanden werden könnten.

Die Linke war im hinteren Teil der Demonstration vertreten. Hinter einem großen Transparent mit der Parole »Energiekonzerne in öffentliche Hand« hatten sich u.a. die drei linken Berliner Senator*innen Katja Kipping, Lena Kreck und Klaus Lederer eingereiht. Weiter hinten im Block versuchten zwei Mitglieder der Neuköllner Linken, ihre Nebenleute zum Parolenrufen zu animieren, was nicht einfach schien. Einige ältere Teilnehmer*innen im Block der Linken trugen Banner mit dem Schriftzug »Die Unbeugsamen – linke Sammlungsbewegung«. Man wolle sich dafür einsetzen, dass unterschiedliche linke Strömungen ihre Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellen – innerhalb der Linkspartei, aber auch auf Demonstrationen –, betonte einer der Bannerträger.

Auch für die nächste Bündnisdemonstration in Berlin wurde am Samstag bereits geworden, die unter dem Motto »Umverteilen jetzt« stattfinden soll. Treffpunkt dafür ist am 12. November um 13 Uhr der Alexanderplatz.

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