Whatsapp-Nachrichten belasten Neuköllner Nazis

Aufgezeichnete Handynachrichten legen nahe, dass Tilo P. und Sebastian T. Ferat Koçak lange vor dem Anschlag verfolgten

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

»Jetzt ist es rum«, sagt Ferat Koçak erleichtert, als er das Amtsgericht Tiergarten verlässt. Eine Stunde lang hat er soeben seine Geschichte im Detail aufgerollt und Fragen zu der Nacht am 31. Februar 2018 beantwortet, in der sein Auto vor dem Elternhaus in Flammen stand. Schon oft hat er von dem Brandanschlag, der Panik seiner Eltern, der ständigen Alarmbereitschaft seitdem erzählt. Aber anders als in Interviews, Redebeiträgen oder seinen Aussagen gegenüber der Polizei saßen ihm an diesem Montagnachmittag die Tatverdächtigen direkt gegenüber. »Da war die Tat auf einmal viel realer«, sagt Koçak. »Das war sehr kräftezehrend.«

Die Tatverdächtigen sind die Neuköllner Neonazis Tilo P. und Sebastian T. Sie sollen nicht nur das Auto des Linke-Politikers im Abgeordnetenhaus, sondern in derselben Nacht auch das Auto des Buchhändlers Heinz Ostermann in Brand gesteckt haben. Der Prozess läuft bereits seit Ende August, die bisherigen Sitzungen drehten sich um Sachbeschädigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Polizeibeamte gaben minutiös wieder, wie sie etwa die Beschuldigten beim Aufkleben von Stickern mit Rudolf-Heß-Konterfei und beim Malen rechtsextremer Graffiti beobachtet hatten. Am Montag nimmt sich das Gericht mit der Befragung von Koçak und Ostermann zum ersten Mal der Brandstiftungen an.

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Während sich Richterin und Staatsanwaltschaft die hinlänglich bekannte Tatnacht ausführlich berichten lassen, lässt Koçaks Anwältin Franziska Nedelmann in der Befragung ihres Mandanten bereits die Beweislast gegen P. und T. durchscheinen. So verweist sie etwa auf eine Whatsapp-Nachricht, die P. bereits im Januar 2017 an den Neuköllner Rechtsextremen L. schickte mit der Frage: »Würdest du den Kanaken wiedererkennen?«, einem Bild von Koçak und dem Auftrag, über ihn Informationen zu sammeln. Zeitgleich hätten im Dezember 2016 und Januar 2017 ein regelmäßiger Protest gegen den damaligen Neuköllner AfD-Stadtrat stattgefunden. Ob er daran teilgenommen habe, fragt Nedelmann ihren Mandanten. Der bejaht. Die Gleichzeitigkeit legt nahe, dass bei diesen Aktionen P. und sein Umfeld auf Koçak aufmerksam wurden.

Zwei weitere Whatsapp-Nachrichten aus der überwachten Kommunikation der Angeklagten sprechen ebenfalls deutlich dafür, dass Koçak schon lange vor dem Anschlag von den mutmaßlichen Tätern beobachtet und verfolgt wurde. Und die Beweise seien noch nicht einmal vollständig, bemerkt die Anwältin. Sie beantragt die Beweisaufnahme aller Informationen, die der Landesverfassungsschutz gesammelt hat, denn bisher lägen dem Gericht nicht alle Aufzeichnungen vor. Nedelmann zitiert als Beispiel ein Telefonat zwischen P. und T., das am 15. Januar 2018 kurz vor dem Brandanschlag aufgenommen wurde. P. beobachtete Koçak im Reuters Café und sagte am Handy zu T.: »Hey, der haut ab.« T. daraufhin: »Bin gleich da.« P. wieder: »Ja, dann mach hinne.« Kurz darauf verfolgte P. Koçak bis zum Wohnhaus seiner Eltern. In den Augen der Anwältin knüpfte das Telefonat eindeutig an vorangegangene Gespräche an. Deren Aufzeichnungen könnten wiederum mehr über den Plan der Angeklagten verraten.

Doch schon jetzt scheint die Beweislast gegen P. und T. am Montag schwer. Warum Koçak trotz der offensichtlich intensiven Beschattung der mutmaßlichen Täter bis zum Anschlag nichts von einer möglichen Bedrohung erfuhr, damit beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex.

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