Proteste im Tschad blutig niedergeschlagen

Opposition protestiert gegen die Übergangsregierung, die weiter an der Macht bleiben will

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Sahelzone scheint es derzeit zu brennen: eine dem Westen gegenüber feindliche Militärregierung in Mali, ein erneuter Militärputsch in Burkina Faso, zunehmende Terroranschläge, Hungerkrisen, aggressive Stimmung gegenüber der einstigen Kolonialmacht Frankreich und verstärkte Zusammenarbeit mit Russland – alles in ohnehin schwachen Staaten mit wenig demokratischen Strukturen und Rechtsstaatlichkeit. Nun überzogen schwere Ausschreitungen mit mindestens 50 Toten und mehr als 300 Verletzten den Tschad.

Die Sicherheitskräfte schossen mit scharfer Munition auf Demonstranten, die in der Hauptstadt N’Djamena und in weiteren größeren Städten gegen die Übergangregierung demonstriert hatten, setzten Tränengas und Schlagstöcke ein. Auch ein Journalist sei getötet worden, wurde über Twitter berichtet. Nach Angaben der Regierung handelte es sich um einen bewaffneten Aufstand zur gewaltsamen Machtergreifung. Premierminister Saleh Kebzabo verordnete eine Ausgangssperre von 24 bis 6 Uhr morgens bis zur »vollständigen Wiederherstellung der Ordnung« im Land. Zugleich seien bis auf Weiteres alle »Aktivitäten von Oppositionsgruppen« aufgehoben worden, berichteten nationale Medien.

Zu den Massenprotesten hatte die tschadische Opposition aufgerufen, weil aus ihrer Sicht am 20. Oktober die Amtszeit der Militärregierung um Interimspräsident General Mahamat Idriss Déby Itno hätte enden müssen. Der Sohn des Langzeitherrschers Idriss Déby, der im Jahr 1990 an die Macht gekommen war und den Tschad autoritär geführt hatte, war nach dem unvorhersehbaren Tod seines Vaters im April 2021 im Alter von 37 Jahren an die Macht gekommen.

Déby Itno wurde daraufhin von den hohen Generälen des Landes am 20. April 2021 zum militärischen Übergangspräsidenten für 18 Monate ernannt. Spätestens im Jahre 2024 sollten Neuwahlen stattfinden. Im vergangenen September beschloss dann aber ein von ihm selbst einberufener »nationaler Dialog« seinen Verbleib bis zu den Wahlen 2024, zu denen er auch noch selbst antreten darf. Die Regierung hatte Proteste vorab verboten. Die Afrikanische Union (AU) kritisierte daraufhin das Vorgehen Déby Itnos. Als die 2021 versprochene Übergangsfrist von 18 Monaten am vergangenen Donnerstag auslief, nun aber bis 2024 verlängert wurde, kam es zu landesweiten Protesten der Opposition, die den »nationalen Dialog« überdies weitestgehend boykottierte.

Es sind nicht die ersten Proteste in der ehemaligen französischen Kolonie: Am 11. April 2021 kam es bei den Präsidentschaftswahlen, die der getötete Déby noch mit 79,3 Prozent der Stimmen gewann, zu einem Aufstand im Norden des Landes, nachdem Sicherheitskräften Übergriffe bei Protesten vorgeworfen worden waren. Der Großteil der oppositionellen Kräfte boykottierte die Wahl damals. Auch schon bei früheren Wahlen hatte die Opposition ihre Anhänger zuvor zum Wahlboykott aufgerufen.

Nach den jüngsten Ereignissen gilt der demokratische Übergang im Tschad als gescheitert. Das erdölreiche Land ist Frankreichs wichtigster Partner beim Vorgehen gegen islamistische Terrorgruppen in der Sahelzone und gilt daher als strategisch wichtig. Paris hatte einem französischen Medienbericht zufolge die verfassungswidrige Machtübergabe von Vater zu Sohn nur unter der Bedingung akzeptiert, dass der Sohn nur übergangsweise regiert und den Weg zu freien Wahlen ebnet, zu denen er selbst nicht antritt.

Dass es nun auch im Tschad zu einer Staatskrise oder gar zu einem Putsch von oppositionellen Rebellengruppen kommen könnte, ist nicht auszuschließen. »In der Regel finden Putsche dann statt, wenn zwei Faktoren zusammenkommen: Das ist einerseits eine historische ›Tradition‹ von Putschen, Militärregimen sowie einem politisch aktiven Militär und andererseits eine aktuelle politische und sozioökonomische Krise«, erklärt Matthias Basedau, Direktor des Giga-Instituts für Afrika-Studien in Hamburg. Beides sei im Tschad gegeben. Basedau beobachte zudem bisweilen einen sogenannten Demonstrationseffekt bei Putschen. Soll heißen: Ein erfolgreicher Putsch in einem Land motiviere zu Coups in anderen Ländern. »Wir können angesichts von entsprechenden Potenzialen in anderen Ländern von einem nicht unbeträchtlichen Risiko ausgehen, dass es zu weiteren Putschen in der Region kommt.«

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