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Sturm im Wasserglas
Eine chinesische Beteiligung würde dem Hamburger Hafen helfen. Die Gegner haben keine Alternative anzubieten
Der Hamburger Hafen ist ein säkulares Heiligtum. Man darf in Hamburg (fast) alles, aber den Hafen muss man als etwas Besonderes respektieren. Das erfuhr ich, als ich die Witwe eines in einer Containerbrücke verstorbenen Kranführers vertrat. Bei der Obduktion befanden die Ärzte, dass er die Tätigkeit gar nicht hätte ausüben dürfen und die Erste Hilfe viel zu spät kam. Die Hafenfirma geriet in Erklärungsnot. Doch merkwürdig: Nach einer Pressekonferenz zum Vorfall sagten die mir beiden anwesenden Lokaljournalisten, sie würden »lieber nicht berichten«. Gut eine Woche später fand sich im »Hamburger Abendblatt« eine Reportage über den »schönsten Arbeitsplatz Hamburgs«: Es war der Arbeitsplatz eines Containerbrücken-Kranfahrers.
Der Vorfall zeigt, dass der Hamburger Hafen eine eigene Welt ist. Hier kulminiert wirtschaftliche und politische Macht. Nun ist der Hafen wieder im Gespräch. Es geht um die Absicht der chinesischen Staatsreederei Cosco, einen Anteil an einem Containerterminal zu erwerben. Die Grünen (aber auch Die Linke Hamburg in Gestalt ihres Hafenexperten) laufen Sturm: Die Chinesen kommen. Das Heiligtum wird gestürmt. Doch es scheint ein Sturm im Wasserglas zu sein.
Tatsächlich brauchen die Chinesen den Hafen nicht zu stürmen – sie sind längst da. Ohne sie wäre der Hamburger Hafen mausetot. Das weiß auch der Bundeskanzler, vormals Bürgermeister von Hamburg. Es geht um einen Anteil an einem Containerterminal, nicht um eine Privatisierung oder Veräußerung des Hafens, wie in Piräus oder Zeebrügge. Nie beschwerte sich jemand, als es um flächendeckende Privatisierungen deutscher Hafeninfrastruktur und -unternehmen ging. Im Gegenteil: Wie die Gralshüter achteten deutsche Politiker darauf, dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht »eingeengt« wurde. Nun aber, da die Weltmacht China als angeblicher Freund Putins vor der Tür steht, gilt die unternehmerische Freiheit nicht mehr?
Gibt es das denn noch: »deutsche« Häfen? Gar eine »deutsche Seeschifffahrt«? Wer sich in den Häfen umsieht, weiß, dass das eine Chimäre ist. Längst ist die deutsche Flagge am Heck zur Ausnahme geworden, und wenn sie weht, dann ist es die des Internationalen Schiffsregisters. Ausflaggungen, Billigflaggen, Fremdflaggen gehören zum Alltag. Wer – wie die Gewerkschaft ÖTV in den 80ern – heute für eine deutsche Staatsreederei eintritt, würde des Kommunismus verdächtigt. Stattdessen hat die chinesische Staatsreederei, die in Hamburg einen Anteil an einem Terminal erwerben will, 2017 den ganzen Hafen von Piräus gekauft – und zwar zur vollen Zufriedenheit der Regierung in Athen und der griechischen Maritimwirtschaft. Dem krisengeschüttelten Land kam das chinesische Unternehmen zu Hilfe. Heute wird Piräus als der »Kopf des Drachens« auf der Neuen Seidenstraße bezeichnet.
Der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft würden in China strategische Vorteile durch eine Beteiligung von Corso erwachsen. Was wäre die Alternative? Hat die Politik einen anderen Investor an der Hand? Vielleicht eine Staatsreederei aus Deutschland? Die müsste erst gegründet werden, und das würde eine grundlegend andere Wirtschaftspolitik verlangen. Die will offenbar niemand. So richten die Grünen mit ihrer Politik des Tretens gegen das chinesische Schienbein möglicherweise unübersehbaren Schaden an. VW plant Milliarden-Investitionen beim autonomen Fahren in China. China könnte diese Investitionen auch durch Konkurrenten der deutschen Auto-Industrie besorgen lassen.
Was also bringt das effektheischende Troublemaking gegen China? Eine politische Strategie ist es nicht. Der Kanzler wird vielleicht eine Sicherung gegen den Zugang von Cosco zu angeblich sensiblen Daten einbauen (obwohl der Investor über den Aufsichtsrat und seine Auskunftsrechte einen Zugang haben wird), und es wird wieder Ruhe einkehren im Hamburger Hafen.
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