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Heißer Herbst oder heiße Luft?
Wie konsequent ist die linke Opposition? Eine Antwort auf Lorenz Gösta Beutins nd-Kolumne
Am 8. September hielt Sahra Wagenknecht im Bundestag eine Rede, an die man sich noch lange erinnern wird. Derart las sie der Ampel-Regierung und insbesondere dem Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck die Leviten, dass dieser ganz unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutschte. Das hatte es lange nicht gegeben. Viele Millionen schauten sich das Video der Rede an, likten, teilten, kommentierten überwiegend zustimmend. Es hätte für Die Linke der Aufbruch in den heißen Herbst sein können.
Doch die Parteiführung zog ängstlich den Kopf ein, stellte sich an die Seite der Ampel, vor allem der Grünen, und gegen ihre eigene Genossin. Ein schlechtes Vorzeichen für den heißen Herbst, in dem die Führung der Linken einerseits versucht, die allgemeine Proteststimmung, insbesondere in Ostdeutschland, aufzugreifen, andererseits aber möglichst nicht zu doll bei den Grünen und ihnen zugeneigten Medien anzuecken.
Sahra Wagenknecht gehört zu den ganz wenigen deutschen Politikern, die täglich mehrere Hundert Mails und Briefe erhalten, in denen die Menschen ihre Sorgen und Nöte schildern. Selbstverständlich gehört es zu den Aufgaben der Linken, diese Sorgen und Nöte politisch anzusprechen und Verantwortlichkeiten konkret zu benennen. Genau das tut Sahra Wagenknecht. Das hat nichts mit »Verdummungswettkampf« zu tun, wie im »nd« zu lesen war. Die Bevölkerung ist weder dumm, noch lässt sie sich für dumm verkaufen.
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Es hilft den Menschen wenig, wenn Die Linke sich darüber streitet, ob es reaktionär ist, den deutschen Mittelstand zu verteidigen oder die Grünen zu kritisieren. Wer in einem akademischen Haushalt groß wurde, vielleicht Lehrer oder Ärzte als Eltern hatte, wer an der Uni, bei der Linken, einer Stiftung oder in der Verwaltung arbeitet, kann da die Nase rümpfen. Wer jetzt um seinen Arbeitsplatz in Industrie oder Handwerk bangt, weil mit steigenden Erzeugerpreisen nicht nur weiter steigende Inflation, sondern auch Pleitewellen drohen, wird das anders sehen. Und auch, wer mit eigenen Händen ein Unternehmen aufgebaut hat und jetzt langjährige Mitarbeiter entlassen und schließlich Insolvenz anmelden muss.
Diese Leute wissen, dass es konkrete Entscheidungen der Ampel sind, die ihre wirtschaftliche Existenz gefährden. Etwa die Entscheidung der Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock, im Ukraine-Krieg keinerlei diplomatische Initiative zu unternehmen, was zuletzt auch vom SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisiert wurde. Oder die Entscheidung von Habeck, die Zufuhr russischen Öls in die Raffinerie in Schwedt zu stoppen, ohne adäquaten Ersatz für den Weiterbetrieb und damit für die Belieferung des Ostens mit Raffinerieprodukten zu haben.
Die Wähler werden sicher wenig Verständnis aufbringen für Diskussionen, die ihre konkreten Probleme auf eine abstrakte Metaebene heben – mit schrägen historischen Vergleichen und Diskursanalysen. Denn der Verdacht drängt sich auf, dass eine konkrete Benennung der Problemlagen und Verantwortlichen umgangen werden soll. Die Sorgen und Nöte verschwinden hinter begrifflichen, letztlich unpolitischen Erörterungen im luftleeren Raum.
Die Linke sollte nicht die Zustimmung von »Taz«, »Spiegel« & Co. zum Referenzpunkt für die eigene Strategie machen, sondern die der Menschen, die in wirtschaftliche Schieflage geraten, die stinksauer sind, die protestieren wollen – und von denen sich viele durch Sahra Wagenknecht vertreten fühlen. Sonst wird es keinen linken heißen Herbst geben.
Übrigens ist die Behauptung falsch, Sahra Wagenknecht verstoße mit ihren Äußerungen gegen Grundsätze und Programmatik der Linken. Das Gegenteil ist richtig: Ihre Kritik an allgemeinen Wirtschaftssanktionen, die vor allem die Bevölkerung treffen, ihr rigoroses Eintreten gegen Waffenlieferungen und für diplomatische Bemühungen im Ukraine-Krieg liegen nicht nur genau auf der Linie des Programms der Linken, sondern sind auch ihr Wesenskern als Friedenspartei.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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