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Der Reiz des langen Laufes
Beim Marathon in Frankfurt wollen die deutschen Frauen und Männer ihre gute Entwicklung wieder mit schnellen Zeiten beweisen
Es ist der normale Weg einer Läuferkarriere, sich irgendwann einmal an einen Marathon zu wagen – 42,195 Kilometer als ultimative Herausforderung. Auch Filimon Abraham kommt nicht mehr an diesem Projekt vorbei. Seinen nächsten Versuch unternimmt der Bahnspezialist nun am Sonntag beim ältesten deutschen Stadtmarathon. Der Frankfurt Marathon ist nach dem Leuchtturm-Event in Berlin, wo gerade der Kenianer Eliud Kipchoge in 2:01:09 Stunden einen Weltrekord gelaufen ist, die zweitgrößte Veranstaltung hierzulande.
Für den in Eritrea geborenen und 2014 als Flüchtling nach Deutschland gekommenen Abraham ist das hessische Pflaster passend, um nach seinem Ausstieg in Hamburg im Frühjahr wegen muskulärer Probleme bei Kilometer 35, wieder anzugreifen. »Frankfurt gehört zu den weltweit wichtigsten Rennen«, sagt der 29-Jährige, der erst am Donnerstag aus Abbis Abeba eingeflogen ist. Sieben Wochen Trainingslager in der Höhe liegen hinter dem 2020 eingebürgerten Läufer, der eigentlich bei der EM in München über 10 000 Meter vorne mitlaufen wollte. »Ich hatte am Tag vorher Fieber, dann hatte ich noch was Falsches gegessen«, erzählt der in Traunstein lebende Abraham, der letztlich nur auf Platz 19 landete. In Frankfurt will er nun unter 2:10 Stunden bleiben, seine Halbmarathonzeiten geben das her.
Schon in absehbarer Zeit könnte Abraham der nächste Hoffnungsträger für die deutsche Marathonszene werden. Die Konkurrenzsituation ist so groß wie nie. Dass deutsche Läufer auf einer Erfolgswelle surfen, ist durch den EM-Titel von Richard Ringer sichtbar geworden. Nur allzu gerne hätte Frankfurts Renndirektor Jo Schindler den 33-Jährigen verpflichtet, die Verhandlungen mit dem Überflieger vom Bodensee waren weit gediehen, »doch leider kam er nicht ohne Blessuren raus«. So sagte der Europameister ab. Einen Bogen um Frankfurt macht auch der EM-Vierte Amanal Petros, der als eingebürgerter Eritreer eine ähnliche Vita wie Abraham vorweist. Petros hat mit erst 27 Jahren die beste Zeit noch vor sich, viele schreiben ihm das größte Potenzial zu.
Bei der EM nur auf Platz 24 war Hendrik Pfeiffer angekommen, der jetzt kurzfristig in Frankfurt läuft, weil er bei seinem eigentlich in New York geplanten Start nicht ins Elitefeld kam. Der 29-Jährige fühlt sich bereit, »dass ich meine gute Form auf die Straße bringen kann«. Unter 2:10 möchte auch er bleiben. Schuhe mit Carbonplatten sorgen allseits für schnelle Zeiten. Dass Deutsche in Europa vorn mitlaufen, ist neu. Eine Entwicklung, die Schindler »langsam, aber sicher« hat kommen sehen: »Einer nimmt den anderen mit – und plötzlich tut sich eine Welle auf.« Hinzu kam, dass die Veranstalter mit Gagen und Prämien speziell für deutsche Läufer einen Anreiz boten, von der Bahn auf die Straße zu wechseln.
So wie einst Arne Gabius, der die schnelle Frankfurter Strecke nutzte, um 2015 den uralten deutschen Marathon-Rekord in 2:08:33 Stunden zu brechen. Er war auch derjenige, der Ringer vor vier Jahren bis Kilometer 30 als Tempomacher einspannte – und ihm damit die lange Distanz schmackhaft machte. Wobei Ringer gern erzählt, dass er danach seinen Weg nach oben nur mühsam fand. Es musste erst die Erkenntnis reifen, dass man nicht immer viel und hart laufen muss, um schnell durch einen Marathon zu kommen. Mal eine Trainingseinheit auf dem Rad, im Wasser oder auf dem Cross-Trainer einzulegen, erhöht die Stabilität, kräftigt die Muskeln und entspannt die Gelenke – und macht auch mehr Spaß.
Nicht minder erfreulich ist das Hoch bei den deutschen Frauen, die bei der EM im Team Gold gewannen. Miriam Dattke, Domenika Mayer und Deborah Schöneborn platzierten sich in den Top Ten. Dass Katharina Steinruck unterwegs in ein Loch trat und nicht unter 2:30 Stunden blieb, war zu verschmerzen. Die 33-Jährige spürt, wie binnen weniger Jahre die deutsche Spitze zusammengerückt ist. Ihrer Mutter Katrin Dörre-Heinig gefällt es: Als Bundestrainerin der Frauen hat eine der erfolgreichsten deutschen Läuferinnen auf einmal die Qual der Wahl, wenn es um Großereignisse geht.
So wunderte sich Laura Hottenrott, dass ihre Bestzeit von 2:28:02 Stunden nicht reichte, um bei Olympia in Tokio zu laufen. Die Nordhessin ahnt, dass sie für eine Qualifikation für die Sommerspiele in Paris 2024 noch schneller werden muss. So hat sich die 30-Jährige für Sonntag eine neue Bestzeit vorgenommen. »Ich will auf jeden Fall was riskieren.« Zuletzt wurde sie Deutsche Meisterin im Halbmarathon und Berglaufen, zuvor siegte sie noch beim anspruchsvollen Jungfrau-Marathon in der Schweiz. Dreieinhalb Stunden dauerte die Strapaze.
Hottenrott lehnt es ab, nur auf der Straße oder Tartanbahn ihre Kilometer abzuspulen. Sie baut Belastungen durchs Wandern, Skilanglauf oder auf dem Mountainbike in ihr Programm ein. Sie glaubt fest daran, dass die Vielseitigkeit im Training zukunftsweisend ist. Ihre Herangehensweise ähnelt der von Richard Ringer. »Er ist für mich seit der EM zu einer Inspiration geworden. Man kann vieles auf dem natürlichen Wege erreichen.«
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