Beifall von der falschen Seite

Frankreichs Linksbündnis erhält für Misstrauensantrag Schützenhilfe der Rechtsextremen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Jean-Luc Mélenchon (La France Insoumise) auf einer Demonstration gegen hohe Lebenshaltungskosten.
Jean-Luc Mélenchon (La France Insoumise) auf einer Demonstration gegen hohe Lebenshaltungskosten.

Seit Anfang der vergangenen Woche in der Nationalversammlung die Debatte und Abstimmung über den Staatshaushalt 2023 und das Budget der Sozialversicherung begann, hat Premierministerin Elisabeth Borne bereits vier Mal zum Ausnahmeartikel 49.3 gegriffen, um nacheinander die verschiedenen Teile der Gesetzestexte verabschieden zu lassen.

Dieser Artikel der Verfassung erlaubt es der Regierung, einen Text mit der Vertrauensfrage zu verbinden und er gilt als ohne Votum angenommen, es sei denn, es wurde ein Misstrauensantrag eingebracht und dieser bekam die Mehrheit der Stimmen. Dieser unter den Ländern mit parlamentarischer Demokratie einmalige Ausnahmeparagraf wird von den Linken als »Vergewaltigung des Parlaments« gebrandmarkt.

Das hinderte linke Regierungen allerdings nicht daran, ebenfalls von diesem fragwürdigen Machtinstrument Gebrauch zu machen. Seit Bildung der Fünften Republik 1958 haben die verschiedenen rechten oder linken Regierungen 89-mal Gesetze mithilfe des Artikels 49.3 durchgedrückt und in 47 Fällen hat die jeweilige Opposition mit einem Misstrauensantrag reagiert.

Dafür müssten heute alle drei Lager der Opposition – die 89 Abgeordneten des rechtsextremen Rassemblement National (RN), die 63 rechtsbürgerlichen Republikaner (LR) und die 151 Abgeordneten des linken Parteienbündnisses Nupes – gemeinsam für einen Misstrauensantrag stimmen. Die Republikaner lehnen das jedoch ab und betreiben nach eigenen Worten »konstruktive Opposition«, sodass das Regierungslager trotz seiner nur relativen Mehrheit in der Nationalversammlung darauf hoffen kann, das eine oder andere Gesetzesprojekt mit Unterstützung der Republikaner durchzubringen. Diese können dadurch eigene Abänderungsanträge durchsetzen.

In der gegenwärtigen Parlamentsdebatte hat sowohl die rechtsextreme als auch die linke Opposition auf den Rückgriff auf 49.3 mit Misstrauensanträgen reagiert. Überraschend war hierbei, dass Ende der vergangenen Woche für den Misstrauensantrag des linken Bündnisses Nupes nicht nur die eigenen Abgeordneten, sondern auch die des rechtsextremen RN votiert haben.

Wenn deren Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen damit bezweckte, das linke Lager zu destabilisieren, so ist ihr das vollauf geglückt. Wer geglaubt hatte, die Linken würden sich die Unterstützung durch die Rechtsextremen verbitten und sie zurückweisen, sah sich getäuscht. Solche Stellungnahmen waren nur vereinzelt zu hören. Umso lauter jubelten Jean-Luc Mélenchon und andere Politiker von La France insoumise (LFI), dass »nur noch 50 Stimmen gefehlt haben, um diese Regierung endlich zu stürzen«. Von einer so erzwungenen Auflösung des Parlaments und Neuwahlen verspricht sich Mélenchon »den Sieg der jetzt durch Nupes geeinten Linken«.

Diese Zuversicht teilen die Sozialisten, Kommunisten und Grünen nicht, doch versuchen sie, die strategischen Differenzen mit LFI herunterzuspielen, um nicht dem Gegner Argumente zu liefern. Doch bei ihnen war das Unbehagen über die Abstimmungshilfe durch RN unübersehbar. Für sie hat nach wie vor der Kampf gegen die Rechtsextremen Priorität, für LFI offenbar der Kampf gegen Macron und seine Regierung.

Entsprechend war Anfang dieser Woche der von LFI eingebrachte Misstrauensantrag gegen den fünften Einsatz des Ausnahmeartikels 49.3 – der dann erwartungsgemäß wieder von den 89 RN-Abgeordneten unterstützt wurde – von den anderen Mitgliedsparteien der Nupes nicht mitunterzeichnet worden. Zur Begründung sagte Olivier Faure, der Parteichef der Sozialisten, in der Parlamentsdebatte: »Jede Woche aufs Neue den bevorstehenden Sturz der Regierung anzukündigen, die dann doch nicht fällt und die auch nie ernsthaft gefährdet ist, birgt das Risiko in sich, die eigenen politischen Zielsetzungen und deren Aufnahme durch die Öffentlichkeit zu schwächen. Das Ergebnis ist ein chaotisches Stimmengewirr, das nur den Antiparlamentarismus und die Politikverdrossenheit stärkt.«

Der Sprecher der Kommunisten, Sébastien Jumel, sprach sich für »mehr Gelassenheit« aus und sagte: »Wir stellen uns nicht jeden Morgen die Frage, ob und unter welchen Umständen die Regierung stürzen wird. Mit einer Hysterisierung der Debatte ist niemandem gedient.«

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