Eine ungewollte Kundgebung

Sahra Wagenknecht und die Duisburger Linke gehen auf Konfrontationskurs

Am vergangenen Freitag verschickte Sahra Wagenknecht eine E-Mail an die Spitze der Linksfraktion im Bundestag, ihren Fraktionskollegen Christian Leye und den Kreisverband der Duisburger Linken. Sie müsse »leider« mitteilen, dass sie »für die geplante Veranstaltung am 18. November in Duisburg nicht mehr zur Verfügung stehe«, schreibt sie darin. Der Grund dafür: Zweifel der Duisburger Linken an der Sinnhaftigkeit einer Kundgebung mit der prominenten Politikerin.

Aber der Reihe nach. Ende September kam Christian Leye, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Mitarbeiter von Wagenknecht sowie Ex-Landessprecher der NRW-Linken, auf seinen Duisburger Kreisverband zu. Er wollte mit den dortigen Genoss*innen über eine Kundgebung mit Wagenknecht sprechen, die von der Bundestagsfraktion organisiert werden sollte. Der Duisburger Kreisvorstand lud ihn zu seiner nächsten Sitzung ein, wo Leye die entsprechenden Pläne vorstellte.

Im Protokoll der Sitzung, das »nd« vorliegt, heißt es: »Der Kreisvorstand kann die Kundgebung nicht personell und organisatorisch begleiten, wird aber wie von Christian gebeten auch keine Steine in den Weg legen.« Auf lange Debatten über das Für und Wider einer Kundgebung mit Wagenknecht hatte man in Duisburg keine Lust. Im Protokoll heißt es, die Fronten seien in dieser Frage »verhärtet«. Im Kreisvorstand erinnert man sich an den Bundestagswahlkampf 2021. Leye kündigte damals »ohne unser Wissen und Votum«, wie es im Protokoll heißt, eine Kundgebung mit Wagenknecht in Duisburg an. Es folgte eine Mitgliederversammlung, bei der sich die Duisburger mehrheitlich gegen die Veranstaltung aussprachen. Statt mit Elan in den Wahlkampf zu gehen, beschäftigten sich die Duisburger Linken mit Wagenknecht.

Nach der Kreisvorstandssitzung Anfang Oktober, bei der Leye das Okay für die Kundgebung bekam, passierte nicht viel. Die Veranstaltung wurde öffentlich angekündigt. Im Netz gab es die üblichen Äußerungen von Zustimmung und Ablehnung. Auch in einer Whatsapp-Gruppe der Duisburger Linken wurde kontrovers über die Kundgebung diskutiert. Diese Debatte nahm Leye zum Anlass, um in einer E-Mail beim Duisburger Kreisvorstand nachzufragen, wie viel »Unwillen« es gegen die Kundgebung gebe. Er befürchte, »unser aller Ansehen« könne Schaden nehmen, wenn die Veranstaltung unter Protest aus der Mitgliedschaft durchgeführt werde. Nun befand der Bundestagsabgeordnete, der Kreisvorstand möge entscheiden, ob die Kundgebung stattfinden soll.

Der Duisburger Kreisvorstand wiederum spielte den Ball zurück an die eigentlich verantwortliche Stelle, den Vorstand der Bundestagsfraktion. In einem langen Brief, der den gesamten Diskussionsprozess nachzeichnet, stellt man fest: »Aus unserer Sicht ist diese Kundgebung
in der Außenwahrnehmung unserer Partei sowieso ein Fehler, egal ob sie stattfindet oder abgesagt wird. Der Schaden ist bereits eingetreten.« Die Fraktionsführung wird darum gebeten zu entscheiden, ob die Kundgebung stattfinden soll.

Dem ist Wagenknecht mit ihrer Absage nun zuvorgekommen. Wagenknechts Mail landete allerdings nicht nur bei den dafür zuständigen Stellen, sondern auch in Mailverteilern von Sympathisanten und beim »Spiegel«, der am Sonntag darüber berichtete. In Duisburg befürchten Mitglieder des Kreisvorstands nun öffentliche Attacken von Wagenknecht-Anhängern. Das Thema Kundgebung wird wohl auch beim Kreisparteitag, der am kommenden Wochenende stattfindet, auf den Tisch kommen. Es sei zu befürchten, dass es stundenlange fruchtlose Debatten über Wagenknecht gebe. Das sei nicht zielführend, in der Mitgliedschaft gebe es schon mehr als genug Frust. Zeit für die wichtigen Themen, etwa Kinderarmut, die Energiekrise oder die Tarifverhandlungen der IG Metall, werde so kaum bleiben, fürchtet der Kreisvorstand.

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