• Berlin
  • Öffentlicher Gesundheitsdienst

Angst um psychisch kranke Neuköllner

Personelle Lage im Gesundheitsamt des Berliner Großbezirks ist weiterhin prekär

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Krisen- und kein Notdienst, keine offene Sprechstunde am Montag: Wer in Neukölln akut psychische Probleme hat und den Sozialpsychiatrischen Dienst des bezirklichen Gesundheitsamtes um Hilfe bitten will oder muss, schaut in die Röhre. Das ist in dem Fall mehr als ein Verwaltungsärgernis, wie es auf Bezirks- und Landesebene in Berlin häufig vorkommt, wenn sich aufgrund von Personalengpässen Öffnungszeiten ändern, Schlangen bilden oder die Türen gleich ganz geschlossen bleiben. In diesem Fall gefährdet die desolate Lage der bezirklichen Einrichtung unter Umständen Menschen und ihre Gesundheit.

Im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses führt das beängstigende Szenario am Montag zu einer emotional geführten Debatte, in der auch Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) sagt: »Es besteht in meinem Haus die Sorge, dass Menschen nicht mehr angemessen versorgt werden können.«

Das vor Wochen öffentlich bekannt gewordene Zerwürfnis zwischen Neuköllns Gesundheitsstadträtin Mirjam Blumenthal (SPD) und dem leitenden Amtsarzt Nicolai Savaskan hatte nicht nur dazu geführt, dass zahlreiche Mitarbeiter*innen mit heftigen Vorwürfen gegen Blumenthal, die derzeit krankgeschrieben ist, die Einrichtung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verlassen hatten. Zudem hatte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die kommissarische Leitung des Amtes von Blumenthal an sich gezogen. Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen war der Umstand, dass Savaskan seines Amtes entbunden werden und die Behörde künftig von einer Verwaltungsleitung und einer Ärztlichen Leitung geführt werden sollte.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus, angeführt von der rechten AfD, hatte nun das Thema auf die Tagesordnung des landespolitischen Gremiums gebracht – abseits der Tatsache, dass es auf Landesebene keine Fachaufsicht für bezirkliche Belange gebe, wie die Grünen-Abgeordnete Catherina Pieroth klarstellt.

Was das AfD-Ausschussmitglied Frank-Christian Hansel, aber auch den FDP-Abgeordneten Florian Kluckert wohl eher umtreibt, dürfte allerdings weniger die psychische Gesundheit der Einwohner*innen des Bezirks sein als vielmehr die Möglichkeit, ganz allgemein »chaotische Zustände in Neukölln« zu monieren, wie sie auch in medialen und politischen Diskursen immer wieder in Form klischeehafter Darstellungen Verwendung finden.

Zu diesen trägt aus Sicht der von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen neben CDU, FDP und rechter AfD aber nicht zuletzt die Bezirks-SPD selbst bei, die hier die größte Fraktion stellt. Die Linke Neukölln hatte im Oktober Blumenthal kritisiert, weil diese die Anweisung zur Löschung eines Videos des Gesundheitsamts gegeben hatte, in dem ein Neuköllner Rapper über die Wichtigkeit von Corona-Schutzmaßnahmen spricht. Begründung: Der Rapper sei der Cousin einer bekannten Person, die mit »kriminellen Clans« in Verbindung gebracht wird. »Wer mit dem ›Clan‹-Begriff hantiert, schürt Rassismus«, heißt es seitens der Linksfraktion.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, Lars Düsterhöft, fordert im Gesundheitsausschuss, die Debatte um die Personalnot im Öffentlichen Gesundheitsdienst »abseits von Neukölln« zu führen. Es sei durchaus eine landespolitische Aufgabe, wenn ein Bezirk kein funktionierendes Gesundheitsamt habe, erklärt dazu der Ausschussvorsitzende Christian Gräff (CDU).

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