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Projekt Mondlandung
Planungen für Neubau der Landesbibliothek am Kreuzberger Blücherplatz treten auf der Stelle
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) ist am Montag um Optimismus bemüht. »Die Menschheit ist zum Mond geflogen, die Menschheit kann auch am Blücherplatz eine Bibliothek bauen«, sagt Geisel im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Wobei mit »eine Bibliothek« die Dimension nicht ganz korrekt erfasst scheint. Schließlich geht es um den seit Jahren versprochenen Neubau der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB). Einen Komplex also, an dem die bisherigen drei Standorte in Mitte, Kreuzberg und am Westhafen auf fast 40.000 Quadratmetern Nutzfläche zentral zusammengefasst werden sollen.
2018 hatte der Senat beschlossen, dass das Bauvorhaben am Blücherplatz in Kreuzberg entstehen soll, im direkten Umfeld des ZLB-Standorts Amerika-Gedenkbibliothek. Passiert ist seither wenig. Zwar wurde ein Dialogverfahren für die städtebauliche Machbarkeitsstudie durchgeführt, an deren Ende drei Varianten für den Neubau standen. Vor Kurzem wurde am Blücherplatz zudem ein temporäres Entlastungsgebäude für die aus allen Nähten platzende Gedenkbibliothek hochgezogen. Vom angekündigten Architektenwettbewerb für den Neubau hat man dagegen lang nichts mehr gehört – außer der gelegentlichen Klage, dass der auf sich warten lässt, wofür vor allem Geisels Stadtentwicklungsverwaltung verantwortlich gemacht wird.
Aktuell kocht die Aufregung um die Nichtfortschritte in Kreuzberg mal wieder Fahrt hoch, nachdem der »Tagesspiegel« über Pläne von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) berichtete, den Beschluss von 2018 für den Neubau am Blücherplatz in die Tonne zu treten. Stattdessen, heißt es, fasse Kahlfeldt das Gebäude des Flughafens Tempelhof als neuen ZLB-Standort ins Auge.
In der Senatskulturverwaltung ist man entsetzt. »Mir ist vollständig schleierhaft, wieso einige meinen, sie müssten die Standortfrage ZLB noch einmal aufrufen«, sagt Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zu »nd«. Denn klar sei: »Wir haben Machbarkeitsstudien von 2015, Wirtschaftlichkeitsstudien von 2016 – beide sprechen sich für den Standort auf dem Areal der Gedenkbibliothek am Blücherplatz aus.« Er würde sich »über tolle Gestaltungsentwürfe aus dem Wettbewerb zum Blücherplatz freuen, statt beim Projekt unsinnigerweise zurück auf Anfang zu gehen«. Alles andere sei den Berlinerinnen und Berlinern auch nicht vermittelbar.
Zur Erinnerung: Im Zuge der Untersuchungen verschiedener Standorte war 2015 und 2016 neben dem Blücherplatz, dem Marx-Engels-Forum und einem Areal am Südkreuz schon mal das weitgehend ungenutzte denkmalgeschützte Flughafengebäude aus den 30er Jahren im Gespräch. Im Vierervergleich schnitt Tempelhof hier am schlechtesten ab. Das eindeutige Fazit: »Das vorliegende spezifische Raum- und Funktionsprogramm der ZLB ist nicht kompatibel mit dem bestehenden Flughafengebäude.« Der Monsterbau könne »auf Basis der für die Kosten-Nutzen-Bewertung herangezogenen Kriterien und deren Gewichtung« für eine Nutzung durch die ZLB »nicht empfohlen werden«.
Umso irritierender wirkt, dass die wegen ihres Umgangs mit dem Planungsverfahren für die Bebauung am Molkenmarkt in Mitte ohnehin im Feuer der Kritik stehende Senatsbaudirektorin Kahlfeldt nun auch noch darauf setzen soll, in der ZLB-Frage ausgerechnet das tote Pferd Tempelhof zu satteln. Alles Gerüchte ohne Hand und Fuß, heißt es dann auch aus ihrem Haus, der Stadtentwicklungsverwaltung von Senator Geisel. »Wir planen nicht, den Senatsbeschluss von 2018 aufzuheben, und könnten das als einzelne Senatsverwaltung auch nicht«, teilt Geisels Sprecher Martin Pallgen auf nd-Nachfrage mit.
Zugleich führt Pallgen für das Projekt am Blücherplatz eine Reihe von »vorhandenen Problemen und Risiken« auf, »die gelöst werden müssen, aber 2018 noch nicht bekannt waren«, von den enormen Kostensteigerungen von ursprünglich 350 auf fast 500 Millionen Euro über die »baufachliche Herausforderung« durch die Nähe zum Landwehrkanal mit weiteren Kostenrisiken bis zu »umfassenden ökologischen Problemen« durch die Versiegelung.
Zur Wahrheit gehört freilich dazu, dass nicht alle genannten Probleme auf wundersame Weise gerade erst aufgetaucht sind. Wenigstens die Kanalnähe war auch 2018 nur schwer zu übersehen. Und tatsächlich ist bereits damals in der Senatsvorlage von einem »schwierig« einzustufenden Baugrund und etwaigen Schwierigkeiten mit dem Grundwasser die Rede.
Volker Heller, der Generaldirektor der ZLB, will sich zu den aktuellen Diskussionen um den Neubau wie zu den Gerüchten um die Präferenzen in der Stadtentwicklungsverwaltung nicht äußern. »Ja, Gerüchte hört man ja immer viele in Berlin«, sagt Heller zu »nd«. Soviel dann aber doch: »Ich bin mir sicher, dass es beim Kultursenator eine große Leidenschaft für das Projekt und einen Einsatz für das Gelände rund um die Amerika-Gedenkbibliothek gibt. Bei allen anderen Verwaltungen bin ich mir da nicht immer so sicher.«
Und noch etwas darf als gesichert gelten: Mit Bauarbeiten für das Mammutvorhaben ist so bald nicht zu rechnen. In der derzeitigen Investitionsplanung des Landes für die Jahre 2022 bis 2026 ist die Umsetzung des Masterplans für den Neubau zwar vermerkt, als etwaiger Starttermin wird hier aber auf 2027 verwiesen.
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