PR-Desaster für Ägyptens Regierung

Der Klimakonferenz-Gastgeber steht wegen Repressalien gegen politische Gegner in der Kritik

  • Sofian Philip Naceur
  • Lesedauer: 4 Min.

Die UN-Klimakonferenz COP 27 droht für das Militärregime von Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi in ein PR-Debakel zu münden. Dabei hatte die Regierung im Vorfeld alles daran gesetzt, sich als vermeintlichen Vorreiter in Sachen Energiewende, als Fürsprecher von Klimagerechtigkeit und Vorzeigestandort für grüne Investitionen in Szene zu setzen. Der UN-Menschenrechtsrat, das EU-Parlament sowie Stimmen aus der Klimabewegung und Menschenrechtler*innen betonten zuletzt gebetsmühlenartig, dass der Kampf gegen die Erderwärmung nur unter Beteiligung der Zivilgesellschaft effektiv vorankommen könne. Diese sei in dem Land aber de facto nicht möglich, heißt es in einer Erklärung einer Koalition von zwölf ägyptischen Menschenrechtsgruppen.

In der Tat sind Proteste im Land praktisch verboten, Nichtregierungsorganisationen können nur stark eingeschränkt operieren, und Oppositionelle werden unter fadenscheinigen Vorwürfen oder Terrorismusanschuldigungen vor Gericht gezerrt und damit mundtot gemacht. Schätzungen zufolge gibt es derzeit mehr als 65 000 politische Häftlinge.

Der wohl prominenteste ist der seit 2014 fast durchgängig inhaftierte ägyptische Blogger Alaa Abdel Fattah, der auch die britische Staatsangehörigkeit besitzt. Seit 218 Tagen protestiert der 40-jährige Aktivist mit einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen und für die Freilassung anderer politischer Gefangener. Da Ägypten ihm weiterhin den Zugang zu britischem Konsulatspersonal verwehrt, radikalisierte er vergangene Woche seinen Streik und verweigert auch Wasser. Seine Familie fürchtet nun, er könne noch während der COP in Haft sterben. Seine Schwester Sanaa Seif kündigte an, trotz des Risikos selbst verhaftet zu werden, zur Klimakonferenz zu reisen und damit den Druck auf die Behörden zu erhöhen. Ob das Regime einlenken und Abdel Fattah doch noch freilassen wird, bleibt völlig unklar. Doch die enorme Solidaritätswelle der letzten Monate hat Staub aufgewirbelt und die Menschenrechtslage im Land in die Schlagzeilen getragen.

Das COP-Spektakel droht für Präsident Al-Sisi daher zum Bumerang zu werden. Dabei versucht das seit dessen blutiger Machtübernahme 2013 mit eiserner Faust regierende Regime seit Monaten den Anschein von Kompromissbereitschaft im Umgang mit Opposition und Zivilgesellschaft zu erwecken. Nachdem im Mai Gespräche mit Teilen der Opposition initiiert und sogar einige politische Häftlinge freigelassen wurden, versicherte Außenminister Samih Schukri kurz darauf, dass während der Klimakonferenz Proteste und freie Meinungsäußerung in Scharm El-Scheikh zugelassen sein würden.

Das war offenbar nicht mehr als heiße Luft: Seit Ende Oktober sollen landesweit mindestens 300 Menschen wegen angeblicher Aufrufe zu regierungskritischen Protesten verhaftet worden sein. 150 davon sitzen weiterhin in Untersuchungshaft, berichtet die ägyptische Nachrichtenplattform Mada Masr. In Kairo, Alexandria und anderen Städten wimmelt es derweil nur so von Polizeikräften, die erneut damit begonnen haben, willkürlich Menschen auf der Straße anzuhalten und deren Smartphones nach politischen Aktivitäten zu untersuchen. Doch nicht nur innenpolitisch motivierte Proteste sind dem Regime ein Dorn im Auge. Vor wenigen Tagen wurde der indische Aktivist Ajit Rajagopal festgenommen, der zu Fuß von Kairo nach Scharm El-Scheikh laufen wollte, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Zwar wurde Rajagopal kurz darauf wieder freigelassen, doch der Fall zeigt deutlich, dass das Regime nicht nur Proteste Oppositioneller repressiv behandelt, sondern auch Umweltaktivismus systematisch unterdrückt.

Kein Wunder also, dass Ägyptens Klimabewegung Kritik an der Regierung nur hinter vorgehaltener Hand äußert. Zu groß sei die Gefahr, ins Visier der Behörden zu geraten, heißt es seitens Aktivist*innen, die anonym bleiben wollen. Dabei ist Kritik an der Energie- und Städtebaupolitik im Land mehr als angebracht. Während nach Recherchen von Mada Masr riesige Bauprojekte an der Mittelmeerküste die Erosion verstärken, zählt die militäreigene Zementindustrie zu den größten Luftverpestern im Land. Das Regime lässt sich indes für Solar- oder Wasserstoffprojekte feiern, ist aber angesichts der enormen Ausweitung der Erdgasförderung zum Großexporteur fossiler Brennstoffe avanciert.

Das Greenwashing hat handfeste wirtschaftliche Gründe, denn Ägypten steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Für das Regime ist die COP daher vor allem eine Gelegenheit, das Land als grünen Pionier zu inszenieren und grüne Investitionen aus dem Ausland anzulocken.

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