Rücktritt von Stefanie Fuchs: »Ich fühle mich fehl am Platz«

Stefanie Fuchs, seit 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses, legt ihr Linke-Mandat nieder

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Dienstagnachmittag hat Stefanie Fuchs ihren Rückzug aus der Politik öffentlich bekannt gegeben. Die Linke-Politikerin aus Treptow-Köpenick sitzt seit 2016 im Abgeordnetenhaus, in der Fraktion ist sie Sprecherin für Soziales, Senior*innen, Inklusion und Pflege. Nun legt sie zum 30. November ihr Mandat nieder, wie sie in einer Erklärung auf ihrer Website mitteilt.

»Es war eine große Chance, auf einer anderen Ebene etwas für die Menschen zu tun«, beschreibt sie dort ihren Schritt in die parlamentarische Politik. Zuvor hatte sie sich bereits jahrelang in ihrem Kiez, dem Allende-Viertel, engagiert: Mit nachbarschaftlicher Jugend- und Integrationsarbeit im Verein Allende 2 hilft etwa. Von dort in das Abgeordnetenhaus zu ziehen, sei eine »spannende« und »zeitintensive« Aufgabe gewesen, »bei der ich viele interessante Menschen kennenlernen durfte«, schreibt Fuchs weiter. »Doch seit einiger Zeit fühle ich mich in dieser Welt fehl am Platz.« Als Gründe für dieses Unwohlsein nennt Fuchs den Umgang miteinander. Persönliche Angriffe, fehlende Wertschätzung und kein Sinn für das Gemeinsame, das alles fände sie »inakzeptabel«. Entscheidungen würden aufgeschoben, denn »vieles dreht sich um sich selbst«.

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Welche Situationen Fuchs damit konkret beschreibt und ob sie sich auf die Atmosphäre innerhalb der Fraktion, innerhalb des Abgeordnetenhauses oder innerhalb der Partei bezieht, das geht aus dem Schreiben nicht hervor. Ein Büromitarbeiter teilt auf nd-Nachfrage mit, dass Fuchs derzeit keine Presseanfragen beantworte.

Aus der Fraktion kommt vor allem: betretenes Schweigen. Mehrere Linke-Abgeordnete wollen sich auf nd-Nachfrage nicht öffentlich zu Fuchs’ Rücktritt äußern. Katina Schubert, Sprecherin für Flüchtlingspolitik, spricht gegenüber »nd« ihr großes Bedauern aus, möchte mögliche Gründe ihrer Fraktionskollegin aber nicht kommentieren.

Einzig der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Schulze, lässt sich auf ein Gespräch ein. »Es hat mich sehr überrascht, ihr Rücktritt reißt ein Riesenloch in die Qualität der Arbeit der Fraktion, weil sie unglaublich wichtige Themenfelder hatte, die sie großartig bearbeitet hat«, so Schulze zu »nd«. Ihre Begründung überrasche ihn ebenfalls, schließlich bemühe sich die Fraktion besonders in der aktuellen Legislatur um ein achtsameres Miteinander. »Wir hatten eine ganze Klausur zu dem Thema, wie wir miteinander umgehen, und haben eine Awareness-Beauftragte eingesetzt.«

Doch anscheinend habe sich das Unwohlsein bei Fuchs länger angestaut und die aktuellen Verbesserungen hätten nicht ausgereicht. »Wir werden uns die Zusammenarbeit und die Struktur der Fraktion anschauen müssen: Wie pfleglich und rücksichtsvoll gehen wir miteinander um?«, meint Schulze. Wenn niemand von den Rücktrittsgedanken einer Parteigenossin mitbekäme, dann sei das ein Problem. Es müsste eine Atmosphäre geschaffen werden, die es erlaubt, Probleme direkt anzusprechen. Aber auch die Stimmung in der Partei könnte in seinen Augen ein Faktor gewesen sein. »In dieser Krisensituation herrscht ein rauer Stil in der Politik«, so Schulze.

Fuchs gehört neben neben der ehemaligen Sozialsenatorin Elke Breitenbach, Fraktionschef Carsten Schatz und anderen Berliner Linken zu den Erstunterzeichner*innen der Gründungserklärung der Initiative Solidarische Linke, die sich innerhalb der Partei gegen den als in Teilen rechtsoffenen kritisierten Flügel um Sahra Wagenknecht positioniert.

Fuchs’ Rücktritt wirft auch personelle Fragen auf. Ihre Nachfolge werde schnellstmöglich organisiert, sagt Carsten Schatz zu »nd«. Als Nachrückerin für Stefanie Fuchs steht auf der Landesliste Franziska Leschewitz aus Spandau. Leschewitz saß, ebenfalls als Nachrückerin, bereits 2020 und 2021 für die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und war hier für Gesundheitsfragen zuständig. Stefanie Fuchs versichert auf Twitter, dass sie Parteimitglied bleiben will. Ihr Fokus wird sich demnach wohl wieder auf das Engagement im Kiez richten.

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