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  • Fußball-WM 2022 in Katar

Goldjunge, Kultfigur und Teenager

Hansi Flick präsentiert in seinem WM-Kader einige Überraschungen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.
Mats Hummels und Marco Reus dürfen nicht mit zur WM. Ihr Dortmunder Klubkollege Youssoufa Moukoko (v.l.) dagegen schon.
Mats Hummels und Marco Reus dürfen nicht mit zur WM. Ihr Dortmunder Klubkollege Youssoufa Moukoko (v.l.) dagegen schon.

Vielleicht ist auch von Hansi Flick hinterher ein gewisser Druck abgefallen. Nachdem der Bundestrainer seinen Kader für die WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) verkündet hatte, plauderte der 57-Jährige im DFB-Campus an ein paar Stehtischen noch entspannt über die vielfältigen Herausforderungen bei diesem Sportereignis. Zuvor hatte Flick erklärt, warum sich in seinem 26-köpfigen Kreis mit Niclas Füllkrug und Youssoufa Moukoko zwei formstarke Bundesliga-Stürmer ohne Länderspieleinsatz befinden. Und warum das Comeback von Mario Götze fast zwangsläufig erfolgen musste. Den Goldjungen von Rio de Janeiro zurückzuholen, ist tatsächlich die größte Überraschung.

Der deutsche WM-Kader 2022

Torhüter
Manuel Neuer (München)
Marc-André ter Stegen (Barcelona)
Kevin Trapp (Frankfurt) 

Abwehr
Armel Bella Kotchap (Southampton)
Matthias Ginter (Freiburg)
Christian Günter (Freiburg)
Thilo Kehrer (West Ham)
Lukas Klostermann (Leipzig)
David Raum (Leipzig)
Antonio Rüdiger (Madrid)
Nico Schlotterbeck (Dortmund)
Niklas Süle (Dortmund) 

Mittelfeld/Angriff
Karim-David Adeyemi (Dortmund)
Julian Brandt (Dortmund)
Niclas Füllkrug (Bremen)
Serge Gnabry (München)
Leon Goretzka (München)
Mario Götze (Frankfurt)
Ilkay Gündogan (Manchester City)
Kai Havertz (Chelsea)
Jonas Hofmann (Mönchengladbach)
Joshua Kimmich (München)
Youssoufa Moukoko (Dortmund)
Thomas Müller (München)
Jamal Musiala (München)
Leroy Sané (München)

Die anhaltend starke Form des edlen Technikers von Eintracht Frankfurt ließ Flick fast keine andere Wahl mehr. »Bei uns steht im Fokus, wie jemand performt. Wir alle wissen, dass Mario ein genialer Fußballer ist, der Gedankenblitze hat.« Für den zwischenzeitlich in München als auch Dortmund abgetauchten Götze sprach auch dessen körperliche Konstitution. »Er kann dreimal in der Woche 90 Minuten spielen. Er ist topfit«, sagte Flick. Götze hat sein letztes von 63 Länderspielen vor fast genau fünf Jahren gegen Frankreich (2:2) bestritten.

Breiteren Raum nahmen auch die Erläuterungen ein, warum mit Werder Bremens Mittelstürmer Füllkrug und Borussia Dortmunds Toptalent Moukoko zwei Debütanten in der Wüste das Vakuum auf der Mittelstürmerposition füllen sollen, für die zuletzt erst Timo Werner (RB Leipzig) und dann Lukas Nmecha (VfL Wolfsburg) verletzt abgesagt hatten. Der 29 Jahre alte Füllkrug wurde bei der Präsentation im Vereinstrikot gezeigt, weil er nicht mal Auftritte in der U21-Auswahl vorweisen kann. Für den zehnfachen Bundesligatorschützen spricht jedoch das »Momentum« (Flick). Zudem gibt er die Symbolfigur der grün-weißen Stehaufmännchen: Der kopfball- und willensstarke Torjäger sei einer, »der der Mannschaft das Vertrauen schenkt, dass immer noch was geht«, sagte Flick. »Er hat ein Element, was uns ganz vorne gut tut.« In Bremen löste die Kunde wahre Begeisterungsstürme aus. Die Mitspieler feierten eine spontane Kabinenparty im Weserstadion, bei der die nordirische Fußball-Kulthymne »Will Grigg’s on fire« auf Füllkrug umgedichtet wurde.

Groß war auch die Freude bei Jungspund Moukoko (»bin unfassbar glücklich und überwältigt«), auch wenn der Teenager andere Eigenschaften als Füllkrug einbringt. »Er ist schnell, quirlig und hat einen guten Abschluss«, sagte Flick über einen Hoffnungsträger für die Heim-EM 2024, der erst am Tag des WM-Eröffnungsspiels in Katar volljährig wird.

Keine Berücksichtigung in der Reisegruppe fanden hingegen zwei seiner Klubkollegen. Sowohl Weltmeister Mats Hummels als auch Marco Reus, beide 33, müssen zu Hause bleiben. Hummels war auch unter dem Nachfolger von Joachim Löw nicht mehr berufen worden. »Mats war natürlich enttäuscht. Er ist ein wertvoller Spieler, aber wir haben uns für jüngere entschieden«, erklärte Flick, der, wohlwissend, hier bereits breit aufgestellt zu sein, auf der Innenverteidigerposition dem 13 Jahre jüngeren Armel Bella-Kotchap (FC Southampton) das Vertrauen schenkte.

Auch Reus erhielt einen persönlichen Anruf: »Jeder weiß, wie sehr ich ihn schätze, aber wir mussten uns entscheiden.« Und so sprach die lange Leidensgeschichte mit anhaltenden Sprunggelenksproblemen gegen den Dortmunder Vereinskapitän, für den nicht unbedingt erwartbar Vereinsgefährte Karim Adeyemi einen Platz erhielt. Aufgrund zu geringer Einsatzzeiten rauschte auch Robin Gosens (Inter Mailand) durchs Rüttelsieb, der gegenüber Christian Günter (SC Freiburg) das Nachsehen hatte.

Insgesamt bildet der Bayern-Block mit sieben Akteuren – allesamt mit Stammplatzanspruch – die Basis eines ausgewogen zusammengestellten Aufgebots. »Wir haben es uns im Trainerteam nicht einfach gemacht und viele Wenn-dann-Strategien durchgespielt«, verriet Flick, der Bayern-Trainer Julian Nagelsmann dankte, seine Leistungsträger wieder in Form gebracht zu haben. Selbst Sorgenkind Thomas Müller könnte bereits im einzigen Testspiel gegen den Oman nächsten Dienstag eingesetzt werden. Nur zwei Tage vorher trifft sich der Tross erst in Frankfurt am Main, um ins fünftägige Kurztrainingslager in den Oman abzufliegen.

Spätestens mit der Weiterreise nach Katar, wo dann am 23. November das erste Gruppenspiel gegen Japan (14 Uhr, ARD) ansteht, geraten die Protagonisten dann auch ins sportpolitische Spannungsfeld. Mit deutlichen Worten grenzte sich Flick von den Aussagen des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman ab, der im Gastgeberland verbotene homosexuelle Handlungen jüngst als »geistigen Schaden« bezeichnet hatte. Das mache ihn »sprachlos und fassungslos«, sagte der deutsche Trainer mit ernster Miene. Einerseits müsse jeder verstehen, dass man sich »auf den Sport konzentrieren« wolle, andererseits versprach er, »dass wir Augen und Ohren offenhalten, uns nicht wegducken und auf Missstände aufmerksam machen«.

Zahlreiche Fanorganisationen haben am Donnerstag mehr als nur Lippenbekenntnisse gefordert. Ihr Vorschlag: alle Preisgelder für den DFB, aber auch Prämien für die Nationalspieler sollten in einen Entschädigungsfonds für die Gastarbeiter fließen, um Angehörige von verletzten oder ums Leben gekommenen Arbeitsmigranten zu unterstützen. Flick antwortete mit Verweis auf sein hohes Arbeitspensum ausweichend auf diesen Vorschlag.

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