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Aufstand gegen Isabel Ayuso
Hunderttausende demonstrieren in Madrid für besseres Gesundheitssystem und gegen Regionalpräsidentin
Die Ärztin Mónica García ist begeistert von der »massiven, fordernden und freudigen« Demonstration, als sie am Montag bei einer Pressekonferenz Resümee über die Massendemonstration vom Sonntag zieht. Hunderttausende Menschen waren gegen die Gesundheitspolitik der rechten Regionalregierung auf die Straße gegangen. »Es war mit Sicherheit die größte Demonstration gegen eine Entscheidung über die regionale Politik hier in Madrid«, hat die Oppositionsführerin angefügt. In vier Marschsäulen sind nach Angaben der Veranstalter fast 700 000 Menschen aus den Stadtteilen in die Innenstadt gezogen, um gegen den »Vernichtungsplan« zu protestieren, den die Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso von der rechten Volkspartei (PP) für die Grundversorgung vorgesehen habe. Sogar nach Angaben der Regionalregierung waren 200 000 Menschen unter einem klaren Motto auf die Straße gegangen: »Madrid erhebt sich.« Erstaunlich ist dann allerdings, dass die PP über ihren Parlamentssprecher Pedro Muñoz Abrines von einem »Scheitern« spricht, während die gesamten Parteien links der PP von einem »Misstrauensvotum« gegen die Regierung sprechen.
»Wir haben dem Ombudsmann (des Parlaments, Ángel Gabilondo, d. Red.) eine Beschwerde darüber übergeben, was gestern für ein Aufschrei war«, erklärte García. Für sie ist klar, dass der Kampf gerade erst begonnen hat. Die Anästhesistin weiß, wovon sie spricht. Obwohl sie gegen Ayuso als Kandidatin der Bürgerplattform Más Madrid» (Mehr Madrid) bei den Wahlen im Frühjahr 2021 angetreten war und schon als Parlamentarierin im Regionalparlament saß, hatte sie auch in der Covid-Pandemie nie ihren Posten als Ärztin in der Hauptstadtregion aufgegeben. Das war ihr angesichts der neoliberalen Privatisierung ein zentrales Anliegen. Den Kahlschlag von rechten Regierungen seit 2010 haben die Menschen in Madrid in der Pandemie mit einer Sterberate pro Hunderttausend Einwohner bezahlt, wie sie sonst in keiner anderen Region Spaniens zu verzeichnen war.
García hatte Más Madrid zur zweitstärksten Kraft in der Region gemacht. Sie will jetzt mit ihren Kollegen alles dafür tun, um die Pläne von Ayuso zu stoppen. «Wir lassen es nicht zu, dass unser Gesundheitssystem angegriffen wird», sagte sie auf einer Pressekonferenz. Sie verweist unter anderem darauf, dass Ärzte erneut gegen die fatalen Bedingungen und das Missmanagement streiken wollen. Zum Teil haben die Ärzte in den vergangenen Wochen in Krankenhäusern blockweise angesichts der Ayuso-Pläne gekündigt, wie in 25 von 210 der Notaufnahmen der Krankenhäuser.
Im Südosten der Hauptstadt ist kürzlich zudem gemeinsam die gesamte Leitung für die Gesundheitsstationen angesichts des Chaos bei der Wiedereröffnung von Notaufnahmen zurückgetreten. In anderen Bereichen der Hauptstadt denken auch andere Leitungsgremien darüber nach, angesichts des «Desasters» ebenfalls das Handtuch zu werfen.
Immer wieder gab es mit dem Abflauen der Pandemie große Proteste und Streiks der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die angesichts der fatalen Lage in Madrid stets besonders stark waren. Die Gewerkschaften, die ebenfalls zu dem Sternmarsch am Sonntag aufgerufen hatten, vermuten im Vorgehen der Ayuso-Regierung den Plan, die Bevölkerung durch eine gezielte Unterversorgung des öffentlichen Gesundheitssystems in die Arme von privaten Firmen zu treiben. Von der Hand zu weisen ist das nicht. Schließlich verzeichnet die Hauptstadtregion das höchste Pro-Kopf-Einkommen im spanischen Staat, doch Madrid ist die Region, die pro Kopf am wenigsten für die medizinische Grundversorgung ausgibt. Davon wanderte zudem die Hälfte des Geldes noch in den privaten Sektor.
Eigentlich sollte die Notlage in den völlig überfüllten Notaufnahmen Madrider Krankenhäusern dadurch gelindert werden, dass Notfallambulanzen, die mit dem Ausbruch der Pandemie geschlossen wurden, wiedereröffnet wurden. Damals war das Personal abgezogen und an anderen Stellen im Rahmen der Covid‑Notlage eingesetzt worden. Das Problem ist nur, dass es kein zusätzliches Personal gibt. Es wurde wieder aus anderen Bereichen abgezogen. Doch jetzt steht nur noch etwa die Hälfte des Personals zur Verfügung, das vor der Pandemie in den Notfallambulanzen tätig war. So kam Ayuso auf die glorreiche Idee, wegen Personalmangel die medizinische Versorgung zukünftig per Videokonferenz zu leisten. Das war ganz offensichtlich der berühmte Tropfen, der das Fass in Madrid zum Überlaufen gebracht hat.
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