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- Diskriminierung an Karneval
Augen auf bei der Kostümauswahl!
Greta Niewiadomski erklärt, worauf man bei der Kostümwahl an Karneval auf jeden Fall achten sollte
Alaaf! Die fünfte Jahreszeit hat begonnen. Doch neben feucht-fröhlicher Feierei bedeutet Karneval auch viel Diskriminierung. In vielen der gängigen Kostüme werden Stereotype reproduziert, die ganze Menschengruppen diskriminieren.
Das wurde mir wieder einmal bewusst, als ich mich auf der Suche nach einem passenden Kostüm in einem klassischen Karnevalsshop wiederfand. Neben der Frage, wie dieser sich eigentlich den Rest des Jahres finanziert, bereitete mir dieser Ort noch auf ganz andere Weise Kopfzerbrechen. Dieses überfüllte Geschäft hielt ein großes Sortiment an Perücken, sexualisierten Kleidungsstücken und Fake-Plastik-Körperteilen bereit.
Und was soll ich sagen? Von Schminke für Blackfacing bis hin zu dem misogynen Stereotyp der »Hexe« war alles dabei. Auch Kinderkostüme, die die westliche Vorstellung der amerikanischen Indigenen repräsentierten, waren natürlich im Angebot. Warum das problematisch ist? Dieses »Kostüm« negiert das reale Leid, welches indigene Völker erlebt haben und macht daraus einen unangebrachten Party-Gag. Das Gleiche gilt für Scheiche, Geishas oder Hula-Tänzer*innen. Denn diese Lebensformen, die wir uns da aneignen, sind für jene Menschen real. Und eben kein Kostüm, was sich einfach so an- und ausziehen lässt.
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Logischerweise wurden ebenso Verkleidungen wie die sexy Krankenpflegerin verkauft. Und um noch kurz weiter auf der Sexismus-Welle zu surfen: Während die männlich gelesene Polizeiuniform super stark und cool aussah, sollte das weibliche Pendant dazu einen kurzen Rock tragen. Ich weiß, es hängt den meisten schon zum Hals raus, aber es fühlt sich verdammt falsch an, ein Stereotyp zu reproduzieren, welches vom Patriarchat erfunden wurde.
Na gut, wir könnten jetzt sagen: »Das Angebot ist das eine. Du musst es ja nicht kaufen.« Das stimmt. Und es erschreckt mich selbst, dass mir diese Vehemenz erst jetzt bewusst geworden ist. Aber als ich mir mein eigenes Kostüm zusammensuchte, fiel mir auf, dass es eben gar nicht so leicht ist, etwas zu finden, das weder diskriminiert noch auf andere Weise jemanden triggert. Ich selbst, die sich nun darüber echauffiert, hatte auch Probleme damit und entschied mich für eine relativ unelegante Lösung: Denn da mir die rechte Hand fehlt, kaufte ich mir für Halloween eine Fake-Hand und platzierte das Ganze so geschickt an meinem Unterarm, dass sie ziemlich frisch amputiert aussah. Super! Nicht rassistisch oder sexistisch. Aber erst im Nachhinein – auch im Zuge der Recherche für diese Kolumne – fiel mir auf, dass ich mich damit über Unfallopfer belustigte, die ernsthafte Schmerzen erleiden mussten und durch diese Verkleidung getriggert werden könnten. Heute finde ich das Kostüm, was meine Mutter in der Grundschule für mich gebastelt hat, deutlich passender: Damals war ich als Waschmaschine verkleidet.
Es bringt also nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Daher habe ich hier einige Kostüme rausgesucht, die von mir geprüft und hoffentlich diskriminierungsfrei sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Paprika-Kostüm? Gemüse kann gar nicht diskriminieren und ist ganz nebenbei auch einfach lustig. Zur Abwechslung könnten wir uns vielleicht auch einfach mal über unsere eigene Kultur belustigen und als Ballermann-Tourist*innen verkleiden.
Und natürlich darfst du dir ebenso ein Horrorclown-Kostüm anziehen, wenn du dann nicht nachts mit einer Axt durch Parkhäuser stürmst. Und als Inspiration für die, die gern Haut zeigen wollen, hat mich das Baby-Kostüm schon ziemlich abgeholt. Oder wie wäre es damit, wenn wir die Krankenschwester und die Hexe durch einen Teddybären oder einen Drachen austauschen? Toll sind ja auch Küchengeräte. Da ist die Auswahl von Toaster bis Mikrowelle tatsächlich gigantisch. Denn wenn wir ehrlich sind, dann ist Karneval eine perfekte Möglichkeit, um endgültig mit Geschlechterklischees zu brechen und die richtige Zeit, in mutige coole Verkleidungen zu investieren.
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