Schüsse auf Rabbinerhaus

Antisemitischer Anschlag mit scharfer Waffe in Essen

Freitagabend in Essen, in den Straßen um die Alte Synagoge stehen Mannschaftswagen der Polizei. Der Bereich um das Rabbinerhaus der Synagoge ist mit Flatterband abgesperrt. An der Tür des Rabbinerhauses ist gelbe Farbe zu sehen. Die Polizei hat sie für die Spurensicherung benutzt. In den Farbklecksen sind deutlich Einschusslöcher zu sehen.

In der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag, die Polizei interessiert sich besonders für den Zeitraum zwischen 20 und 1 Uhr, war hier mehrfach mit einer scharfen Waffe auf die Tür des Rabbinerhauses geschossen worden. Am Freitagmorgen waren die Einschusslöcher der Polizei gemeldet worden. Diese rückte sofort mit einem Großaufgebot an, sperrte den Bereich um die Alte Synagoge und das Rabbinerhaus weiträumig ab. Auch Sprengstoffspürhunde kamen zum Einsatz, fanden allerdings nichts. Der nordrhein-westfälische Innenminister, der am Freitagmittag an den Tatort gekommen war, sprach von einem Anschlag. Reul erklärte auch, dass der Polizei ein Video vorliegt, auf dem ein Mann bei der Schussabgabe zu sehen ist. Viel mehr soll allerdings nicht zu erkennen sein, da das Video von schlechter Qualität ist. Innenminister Reul zeigte sich erleichtert, dass niemandem etwas passiert ist. Der Innenminister versicherte: »Die Jüdische Gemeinde kann sich darauf verlassen, dass wir alles tun, um den Täter schnellstmöglich zu ermitteln«.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Alte Synagoge in Essen Ziel einer antisemitischen Attacke geworden ist. Im Jahr 2000 zog eine Demonstration zur Unterstützung der palästinensischen Intifada vor das Gebäude. Die Demonstranten bewarfen die Alte Synagoge mit Steinen, schossen mit einer Schreckschusspistole darauf. 30 Fenster wurden zerstört. Besucher und Mitarbeiter schafften es, das Gebäude zu verriegeln und flohen in den Keller. Die Polizei nahm 150 Demonstranten fest.

Auch 2014 war eine antiisraelische Kundgebung, organisiert von der Linksjugend, beinahe Ausgangspunkt für Attacken auf die Alte Synagoge. Die Polizei schaffte es nur knapp, einen Mob, der sich nach der Kundgebung gebildet hatte, davon abzuhalten, zur Synagoge zu ziehen. Die Demonstranten zogen dann zu einer pro-isralischen Kundgebung. Flaschen, Steine und Böller wurden auf die Pro-Israel-Kundgebung geworfen. Wenige Tage später verhaftete die Polizei 14 Personen, die sie verdächtigte, bei einer geplanten Kundgebung Straftaten gegen die Alte Synagoge zu begehen.

Im November 2020 wurde schließlich auch die neue Essener Synagoge Ziel von Angriffen. Zweimal wurden Steine auf das Gebäude geworfen, Fensterscheiben wurden beschädigt, aber niemand verletzt. Die Polizei konnte einen Tatverdächtigen festnehmen. Am Samstag teilte die Essener Polizei mit, dass sie am Kuppeldach der neuen Synagoge zwei Löcher festgestellt habe. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt untersucht sie nun, ob es sich um Einschusslöcher handelt und ob sie mit dem Anschlag auf das Rabbinerhaus in einem Zusammenhang stehen können.

Die Alte Synagoge und das Rabbinerhaus werden nicht mehr von der jüdischen Gemeinde genutzt. Die Alte Synagoge dient seit den 1980er Jahren als Gedenkstätte und politisch-historisches Dokumentationszentrum. 2008 folgte eine Neukonzipierung. Heute firmiert sie unter dem Titel Haus jüdischer Kultur. In der Dauerausstellung geht es unter anderem um jüdisches Leben und die bewegte Geschichte des Gebäudes.

Im Rabbinerhaus ist das Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen untergebracht. Das Institut gilt als führend auf dem Feld der Erforschung jüdischer Friedhöfe und der Erschließung hebräischer Inschriften.

Bei einer kurzfristig organisierten Kundgebung des Bündnisses »Essen stellt sich quer« protestierten am Freitagabend etwa 80 Menschen gegen den antisemitischen Anschlag. Dort ergriff auch der Leiter der Alten Synagoge, Uri Kaufmann, kurz das Wort. Er bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Solidarität und erklärte, dass man »solche Akte« nicht hinnehmen dürfe. Nachdem die Alte Synagoge am Freitag nicht öffnen konnte, hoffte Kaufmann, »dass wir unsere wichtige pädagogische Arbeit nächste Woche wieder fortsetzen können«.

Eine Rednerin des Bündnisses »Essen stellt sich quer« zog Parallelen zum antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Auch dort sei es eine stark gesicherte Tür gewesen, die ein Eindringen des Täters in das Gebäude verhindert habe. Für die Rednerin ist der Essener Anschlag ein »weiterer Punkt auf der Spirale des bundesweit erstarkenden Antisemitismus«. Die Alte Synagoge werde während der Öffnungszeiten seit 20 Jahren von der Polizei bewacht. Es sei »eine Schande, dass das nötig ist«. Es sei eine Aufgabe aller, sich »gegen jedwede Erscheinungsform des Antisemitismus« zu stellen.

Um den Schutz jüdischer Einrichtung soll es auch in einer Sondersitzung des Innenausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag gehen. Die oppositionellen Fraktionen von SPD und FDP haben die Sitzung beantragt. Die beiden Parteien verlangen von der Landesregierung Informationen über die Hintergründe der Tat und den Stand der Ermittlungen. Außerdem wollen sie wissen, »welche Konsequenzen die Landesregierung aus der wachsenden Zahl an antisemitischen Übergriffen zieht«, heißt es in dem Antrag. Die Sondersitzung könnte in der kommenden Woche stattfinden.

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