Brandenburg in außerordentlicher Notlage

Um die Schuldenbremse nicht beachten zu müssen, beantragt das Land die förmliche Feststellung der Krise

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Abgeordnete des Landtags reichten am Dienstag einen Antrag ein, wonach der Haushaltsausschuss das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notlage für Brandenburg beschließen soll. Eine solche Lage festzustellen ist die Voraussetzung dafür, dass das Land trotz Schuldenbremse zwei Milliarden Euro Kredit aufnehmen darf. Mit den Mitteln sollen beispielsweise Entlastungen für Haushalte finanziert werden, die unter den extrem gestiegenen Energiepreisen leiden.

Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hat fast gleichzeitig mit den Spitzen der Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne den Plan zur Verteilung der Gelder vorgestellt. Unter der Überschrift »Brandenburg-Paket – Rettungsschirm für ein krisenfesteres Brandenburg« ist unter anderem vorgesehen, mit 230 Millionen Euro Familien mit geringem Einkommen über die bisherigen Maßnahmen hinaus zu unterstützen. Zur Aufrechthaltung der öffentlichen Aufgaben (Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft, Kultur, Sport, Gesundheit, Soziales) sind 600 Millionen Euro vorgesehen. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, ist der Koalition 400 Millionen Euro wert. Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten wird mit 150 Millionen unterstützt. Als pauschale Vorsorge zur Bekämpfung der Energieknappheit sind 500 Millionen Euro verplant. Aufrechthaltung, Ausbau und Modernisierung kritischer Infrastrukturen dürfen 120 Millionen Euro kosten.

Die Koalition will Katastrophenschutz-Leuchttürme in den Kommunen einrichten, Katastrophenschutz-Lager anlegen und eine Feuerwehr-App für Brandenburg entwickeln lassen. Zudem soll das Koordinierungszentrum Krisenmanagement modernisiert werden. Nach Auffassung der Koalition entspricht es nicht mehr den aktuellen Anforderungen.

Noch unlängst wehrte sich Ministerin Lange dagegen, als »pingeliges Spar-Mariechen aus der Prignitz« zu gelten. Am Dienstag sagte sie, die fulminante Neuverschuldung sei »zwingend erforderlich«. Die schon eingetretenen Verwerfungen bezeichnete sie als »massiv«. Die EU rechne damit, dass Deutschland beim Wirtschaftswachstum das »Schlusslicht in Europa« sein werde. Brandenburg habe die höchste Inflation bundesweit. Mit dem vorgelegten »Brandenburg-Paket« ordnete sich die Ministerin dem »Team der begründeten Vorsicht« zu und »nicht dem Team des haltlosen Zweckoptimismus«.

Die Summe sei beträchtlich, doch dürfe das Land »jetzt nicht zu kurz springen«, so Lange. Brandenburg durch die Krise zu bringen, das »hat seinen Preis«. Die SPD-Politikerin räumte ein, dass die Erhöhung der Neuverschuldung auf 24,2 Milliarden Euro bis 2024 eine »Wette auf die Zukunft« darstelle. Aber: »Das Land muss diesen Weg gehen.« Finanzpolitisch sei das durchaus tragbar. Auf die Frage nach künftigen Generationen sagte sie, diese Generationen hätten auch nichts davon, wenn »wir diese Hilfen nicht leisten« würden. »Jetzt auf den einzelnen Euro zu sehen, wäre nicht die richtige Antwort.« Die Krise werde »nicht im nächsten Jahr beendet sein«.

Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke erklärte die atemberaubende Neuverschuldung damit, dass man nicht »alle Jahre einen weiteren Rettungsschirm« spannen könne. CDU-Fraktionschef Jan Redmann sprach von »neuen Bedrohungslagen«. Mittels Drohnen werde das Land inzwischen systematisch auf seine Schwachstellen hin ausgespäht. Es sei Vorsorge zu treffen, dass Brandenburg widerstandsfähiger werde. »Wir haben uns zu lange auf der Insel der Seeligen vermutet.« Die Menschen müssten sich im Ernstfall auf die staatlichen Strukturen verlassen können. Verschiedene Fragen seien über Jahrzehnte hinweg nicht beantwortet worden. Einen Überblick über vorhandene Schutzräume gebe es beispielsweise nicht. »Was geschieht, wenn in einer Polizeiwache der Strom ausfällt, wie bleibt sie dennoch einsatzfähig?«

SPD-Fraktionschef Daniel Keller meinte, das Brandenburg-Paket sei eine Antwort auf »Angstmacher« im politischen Raum. Finanzministerin Lange bestätigte, dass die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren dazu geführt hatte, dass Schulden immer weniger und am Ende gar nichts mehr kosteten. Nun aber steigen die Zinsen wieder. Mit der Neuverschuldung verbunden sei ein Tilgungsplan über eine Laufzeit von 30 Jahren.

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