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Abzug – nur nicht gleich
Bundeswehr will sich vom Minusma-Einsatz in Mali verabschieden
Bundeskanzler Olaf Scholz musste mal wieder einen Streit in der Koalition schlichten. Während seine Verteidigungsministerin und SPD-Genossin Christine Lambrecht – unterstützt von der Generalität – die aktuell in Mali stationierten 1200 Soldatinnen und Soldaten geordnet, doch eben auch so schnell wie möglich heimholen wollte, pochte Außenministerin Annalena Baerbock darauf, dass der Einsatz im Rahmen der UN-Mission Minusma fortgeführt wird. Die Grünen-Politikerin verwies auf die »internationale Verantwortung Deutschlands«. Zudem führte sie an, dass Chaos und die Ausbreitung des Terrorismus in der Sahelzone direkte Auswirkungen auf Europa hätten, zum Beispiel würden die Migration und die Gefahr von Anschlägen zunehmen.
Der nun gefundene Kompromiss lautet: Man werde dem Parlament vorschlagen, das Mandat im Mai 2023 »letztmalig um ein Jahr zu verlängern, um diesen Einsatz nach zehn Jahren strukturiert auslaufen zu lassen«, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit. Damit solle insbesondere den für Februar 2024 in dem westafrikanischen Krisenland geplanten Wahlen Rechnung getragen werden. Ob diese tatsächlich stattfinden werden, ist ungewiss. Das 20-Millionen-Einwohner-Land hat seit 2012 nicht weniger als drei Militärputsche erlebt. Seit dem jüngsten Umsturz im Mai 2021 wird Mali von einer militärischen Übergangsregierung geführt.
Kritik am Abzugsplan kam von der Opposition. Die Entscheidung sei politisch völlig unkoordiniert und militärisch unvorbereitet, meinte der CDU-Militärpolitiker Henning Otte. »Dieses Vorgehen der Ampel gefährdet die Sicherheit unserer Soldaten in diesem schwierigen Einsatz«, sagte Otte. Diese Sicht teilt Sevim Dağdelen, Linke-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss. Dass der komplette Abzug bis weit ins Jahr 2024 verschleppt werde, sei »inakzeptabel und der Lage vollkommen unangemessen«. Der Einsatz sei gescheitert, betonte Dağdelen.
Die Operation war von vornherein zum Misserfolg verdammt. Nachdem der Westen durch den Sturz des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi einen Bürgerkrieg losgetreten, die Terrororganisation Al Qaida gestärkt und die afrikanischen Nachbarstaaten ins Chaos getrieben hatte, versuchten französische Truppen mit der »Operation Serval« Aufstände im Norden Malis einzudämmen. 2013 machte der UN-Sicherheitsrat den Antiterrorkampf in der Region zu einer Angelegenheit der Weltgemeinschaft. Inzwischen sind fast 18 000 Militärs, Polizisten und Beamte eingesetzt. Mit starken Kontingenten ist die Bundeswehr seit 2016 Teil der Blauhelmmission. Sie alle vermochten es nicht, das Land zur Ruhe zu bringen.
Zudem hat sich das Klima gegenüber den westlichen Verbündeten radikal verschlechtert, seitdem die Militärjunta russische Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe ins Land geholt hat. Die führen einen brutalen Antiterrorkampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Dennoch hat die malische Führung – nach Einschätzung der Bundesregierung – seit Jahresbeginn »keine nachhaltigen Erfolge gegen Terrorgruppen« im Land erzielen können.
Mit Bezugnahme auf die Uno teilte die Bundesregierung im Oktober mit, dass zwischen 2013 und Juni dieses Jahres 174 Angehörige des Minusma-Einsatzes in Ausübung ihres Dienstes getötet sowie 426 schwer verletzt worden seien. Überdies, so bestätigt auch das deutsche Verteidigungsministerium, hätten die Schikanen gegen Minusma zugenommen. So ist eine Fortführung insbesondere der Aufklärungseinsätze der Bundeswehr kaum möglich.
»Aufgrund fehlender malischer Fluggenehmigungen«, so die Bundesregierung, sei die Heron-1-Drohne seit dem 11. Oktober nicht mehr eingesetzt worden. Dabei sind deren Flüge für alle Minusma-Teilnehmer extrem wichtig. Auch sind Personalwechsel mehrfach behindert worden. Unlängst hatte Malis Regierung sogar die geplante Einreise des deutschen Generalinspekteurs praktisch unmöglich gemacht, indem sie Visaregelungen verschärfte.
Es geht um weit mehr als nur um Mali. Vor allem die Regierung Frankreichs versuchte – unterstützt von Deutschland – in den ehemaligen französischen Kolonien Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger einen »großen Wurf«. Im Rahmen von »G5 Sahel« wollte Paris die Zusammenarbeit auf dem Sicherheitsgebiet verbessern. Die Idee ist so gut wie gescheitert. Im Sommer haben die letzten französischen Soldaten Mali verlassen und sich in Niger eingerichtet. Dort sichern sie vor allem den Uran-Nachschub für die französischen Atomkraftwerke. Der Rückzug hat schwerwiegende Folgen, denn Frankreichs Kampfhubschrauber hatten bislang wichtige Minusma-Operationen abgesichert. Nun strich Paris die Entwicklungshilfe für Mali.
Zurückgezogen hat sich ebenso die Elfenbeinküste. Es wurde kein offizieller Grund angegeben, aber die Spannungen zwischen Abidjan und Bamako waren gestiegen, nachdem im Sommer 49 ivorische Soldaten bei ihrer Ankunft im Stationierungsland »als Söldner« gebrandmarkt und inhaftiert wurden.
Auch Großbritannien stieg bei Minusma aus. Verteidigungsminister James Heappey betonte, Malis Militärherrscher seien »nicht bereit, mit uns zusammenzuarbeiten, um dauerhafte Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten«. Vor allem die Zusammenarbeit der malischen Militärjunta mit Russland und den Söldnern der »Wagner-Gruppe« sei »kontraproduktiv für dauerhafte Stabilität und Sicherheit in der Region«, sagte Heappey.
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