Reingehen, immer wieder reingehen

Hauptstadt-Grüne wollen im Wahlkampf auf das sperrige Thema Verwaltungsreform setzen

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 3 Min.
Will die Berliner Verwaltung reformieren: Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch
Will die Berliner Verwaltung reformieren: Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch

Die Pannen bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 hätten sich nach Einschätzung der Berliner Grünen durch eine rechtzeitige Reform der Verwaltung in der Hauptstadt vermeiden lassen. »Dieses Debakel wäre nicht passiert, wenn wir die Verwaltungsreform früher angegangen wären«, sagt die alte und neue Grünen-Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, Bettina Jarasch, am Samstag auf einer Arbeitsklausur der Abgeordnetenhausfraktion in den Gärten der Welt in Marzahn-Hellersdorf. Reingehen in die Strukturen müsse man.

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Vom Reingehen war bei der Diskussionsrunde »Ein Update für Berlin« dann auch immer wieder die Rede. »Reingehen in die Strukturen und schauen: Was kann man an den Prozessen ändern?«, sagt Jarasch. Und: »Wenn man etwas ändern will, muss man reingehen.« Das Thema Verwaltungsreform ist eigentlich keines, mit dem man in Wahlkampfzeiten einen Blumentopf gewinnt. Doch die Ausgangslage bei dieser Wiederholungswahl ist eine andere. Der Wahlablauf im September 2021 gilt als Sinnbild der Berliner Verwaltungsdystopie. »Ich würde mich freuen, wenn der Weckruf jetzt dazu führt, die großen Themen anzugehen«, sagt Jarasch. Schwerpunkt der Grünen im Wahlkampf wird deshalb die Forderung nach einer umfassenden Verwaltungsreform.

Nötig sei eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken, damit die Stadt wieder funktioniere. Die Grünen plädieren für ein »politisches Bezirksamt«: Bezirksbürgermeister und -stadträte sollen nach ihrem Willen in Zukunft von einer Regierungsmehrheit in den Bezirksverordnetenversammlungen gewählt und nicht mehr – wie bisher – nach dem Proporzsystem besetzt werden. »Und eines ist wichtig: Es kann sein, dass Aufgaben zentralisiert werden«, sagt Jarasch. Es sei auch denkbar, dass manches bei einem Bezirksamt angesiedelt werde, das Dinge dann für andere Bezirksämter erledige. Da ist sie wieder, die Diskussion um die Reform der Zuständigkeit der Berliner Bezirke. Jarasch fordert einen neuen Versuch.

Beim Thema Verwaltung hatte sich Rot-Grün-Rot im vergangenen Jahr etliches versprochen. Im Koalitionsvertrag heißt es euphorisch: »Die Koalition wagt für die Berliner Verwaltung einen neuen Aufbruch.« Und: »Mit einer Verwaltungsreform werden Prozesse und Verfahren vereinfacht.« Die Grünen zeigen jetzt auf die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). »Wir haben einiges im Koalitionsvertrag verabredet, leider sind noch keine Grundlagen dafür gelegt«, sagt Jarasch. Für die Umsetzung verantwortlich sei nun mal die Senatskanzlei. Nicht mal der Geschäftsverteilungsplan sei verabredet. »Das ist die Grundlage von allem«, so Jarasch.

Dass die Reform nicht »mit einem Fingerschnipsen« erfolge, sei klar. Und von oben anordnen lasse sich das schon gar nicht, sagt Jarasch. »Ich glaube nicht, dass Verwaltungsreform topdown funktioniert.« Am Samstag will die in den Bezirken tief verwurzelte Partei daher auch einen eigenen Akzent setzen und holt sich hierfür grüne Amtsträgerinnen, aktuelle wie ehemalige, auf das Podium.

Darunter ist Monika Herrmann, bis 2021 Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Sie sagt: »Verwaltung und politische Verantwortung müssen an einem Strang ziehen, ebenso der Senat und die Bezirksebene«. Oder Stefanie Remlinger, seit diesem Oktober Bürgermeisterin von Mitte: »Gut, dass wir uns des Themas annehmen.« Die Botschaft, die von der Klausur ausgehen soll: Wir sind krisenerprobt, wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. »Wir gehen rein und zeigen, dass wir es besser können«, sagt Antje Kapek, die ehemalige Fraktionsvorsitzende.

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