As Time Goes By ...

Ein bleibendes Vermächtnis antifaschistischer Weltkultur: Vor 80 Jahren entstand der Film »Casablanca«

  • Mario Keßler
  • Lesedauer: 5 Min.
Beim Dreh: Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann
Beim Dreh: Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann

Entgegen aller Klischees war Hollywood stets mehr als nur eine Traumfabrik. Zu erinnern ist an einen der größten Welterfolge des amerikanischen Films: Vor 80 Jahren, am 26. November 1942, fand in New York die Uraufführung von »Casablanca« statt. Und neun Tage, nachdem der britische Premierminister Winston Churchill und US-Präsident Franklin D. Roosevelt sich in Casablanca über die weitere Kriegsplanung verständigt hatten, kam der Film am 23. Januar 1943 in die amerikanischen Kinos. »Casablanca« erhielt drei »Oscars« als Bester Film des Jahres, für die Beste Regie (Michael Curtiz, eigentlich Mihaly Kertész) und das Beste adaptierte Drehbuch (Julius und Philip Epstein sowie Howard Koch). Unter den 100 besten amerikanischen Filmen aller Zeiten kam »Casablanca« in der Umfrage des American Film Institute 1998 (hinter »Citizen Kane«) auf den zweiten Platz.

Die Handlung beruht auf dem Entwurf eines Theaterstücks von Murray Burnett und Joan Allison. Casablanca, die von Truppen des Vichy-Regimes besetzte marokkanische Hafenstadt am Atlantik, ist einer der letzten Fluchtwege für verfolgte Antifaschisten nach Übersee. Der Handel mit gefälschten Papieren blüht ebenso wie der Betrug am Spieltisch, so in »Rick’s Café Américain«, in dem ein Taschendieb (Curt Bois) erfolgreich »arbeitet«. Dessen Besitzer Rick Blaine (Humphrey Bogart) kämpfte einst gegen den Faschismus in Spanien und schmuggelte Waffen nach Äthiopien, um dem vom faschistischen Italien überfallenen Land zu helfen.

Nach einer tiefen Liebesenttäuschung hat Rick sich von der Politik völlig zurückgezogen und verschanzt sich hinter einer zynischen Maske. Dass seine Menschlichkeit nicht erloschen ist, zeigt sich am Roulette-Tisch: Jan und Anina Brandel (gespielt von Helmut Dantine und Joy Page), ein junges bulgarisches Paar, wollen in die USA fliehen, doch fehlt ihnen das Geld, um die Schmuggeldienste zu bezahlen. In der Hoffnung auf einen Gewinn versucht sich Jan beim Roulette, aber ohne Glück. Plötzlich steht Rick hinter ihm und flüstert ihm zu, auf die Zahl 22 zu setzen. Jan tut es und gewinnt eine große Summe. 

Doch die entscheidendste Szene im Film: Ricks einstige große Liebe Ilsa Lund (Ingrid Bergman) betritt sein Café. Sie ist mit ihrem Mann Victor László (Paul Henreid), einer Schlüsselfigur des antifaschistischen Widerstandes, auf der Flucht. László wird vom nazistischen Polizeioffizier Heinrich Strasser (Conrad Veidt) gesucht. 

László, der von Ricks einstiger Solidarität für die Unterdrückten in Äthiopien und Spanien weiß, bittet den Café-Besitzer, ihm bei der Beschaffung von Visa behilflich zu sein. Doch Rick lehnt ab. Das Gespräch der beiden wird plötzlich von einer Gruppe deutscher Soldaten unterbrochen, die »Die Wacht am Rhein« anstimmt. László fordert daraufhin das Orchester auf, die »Marseillaise« zu spielen. Mit einem knappen Kopfnicken genehmigt Rick dies. Das Orchester spielt und László beginnt zu singen, zuerst allein, dann mit der ganzen Versammlung, die von seinem patriotischen Feuer beeindruckt ist. Gemeinsam übertönen sie den nationalistischen Gesang der Deutschen. Genervt befiehlt Major Strasser Capitaine Renault, das Café zu schließen.

In derselben Nacht unterhält sich Ilsa mit Rick. Sie erklärt ihm, dass sie in Paris – ineinander verliebt – glaubte, ihr Mann sei beim Fluchtversuch aus einem Konzentrationslager getötet worden. Doch als sie erfuhr, dass er noch lebte, musste sie Rick verlassen. Ilsas Erklärung stimmt Rick nun versöhnlicher. Er erklärt sich bereit, László zu helfen, zumal sie ihm gesteht, ihn immer noch zu lieben. Sie wolle László verlassen und mit ihm, Rick, gehen. Rick bereitet nunmehr seine mit Ilsa geplante Abreise aus Casablanca vor. Er verkauft sein Café an seinen Konkurrenten Ferrari.

In der einprägsamen Schlussszene des Films drängt Rick die zögernde Ilsa, mit László in das Flugzeug nach Lissabon zu steigen. Am Rollfeld erscheint nun Major Strasser und versucht, den Start des Flugzeugs zu verhindern. Daraufhin erschießt ihn Rick. Als die Polizei eintrifft, deckt Renault Rick und bietet ihm an, Casablanca zu verlassen, um sich den Freien Franzosen in Brazzaville anzuschließen. Beim Abmarsch wirft Rick symbolisch eine Flasche Vichy-Wasser in einen Abfallkorb und sagt zu Renault: »Louis, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft« – eine Anspielung auf das Bündnis der Anti-Hitler-Koalition.

»Casablanca« ist eine meisterhafte Mischung aus Liebesromanze, Melodram, Humoreske und Elementen des Thrillers. Der Film zeigt keine makellosen Helden, sondern Menschen in ihren Widersprüchen. Ergreifende, doch nie ins Sentimentale abrutschende Szenen wechseln mit ironisch-grotesken Dialogen. Arthur Edesons Kameraführung beeindruckt, wie die Musik. »As Time Goes By« durchzieht als musikalisches Leitmotiv den Film. Ilsas Aufforderung an den Pianisten Sam (Dooley Wilson) das Lied noch einmal zu spielen, lautet im Original nicht, wie oft kolportiert, »Play it again, Sam«, sondern »Play it once, Sam. For old times’ sake … play it, Sam. ›Play As Time Goes By‹.« 

Die westdeutsche Kino-Version von 1952 ließ alle konkreten Kriegsumstände verschwinden; der Nazi-Major Strasser wurde zu einem Kommissar, der Victor László verfolgt, der aber hier Victor Larssen heißt. Dieser ist ein skandinavischer Professor, der aus einem Gefängnis geflohen war, in dem er saß, weil er eine von ihm selbst entwickelte zerstörerische Waffe eigenmächtig vernichtet hatte. In der Atmosphäre des Kalten Krieges mitsamt einer nachsichtigen Behandlung alter Nazis leistete die Warner Brothers-Gesellschaft der restaurativen Politik vorauseilende Dienste und genehmigte die verstümmelte Version.

Erst am 4. Oktober 1975 erschien die ungekürzte und neu synchronisierte Fassung auf den Bildschirmen der ARD. Das DDR-Fernsehen strahlte diese Fassung am 6. September 1983 erstmals aus. In die Kinos der DDR gelangte der Film am 4. Juli 1984.

Heute gelten Humphrey Bogart und Ingrid Bergman als das Liebespaar der Filmgeschichte. Doch bedeutet der Film weit mehr: Er gehört zum bleibenden Vermächtnis antifaschistischer Weltkultur.

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