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Schlappe für pekingkritische Regierung
Demokratische Fortschrittspartei verliert Kommunalwahlen in Taiwan
Die Verliererin des vergangenen Wochenendes ist jemand, die gar nicht zur Wahl stand. »Die Ergebnisse haben unsere Erwartungen nicht erfüllt«, erklärte Tsai Ing-wen kurz nachdem klar geworden war, dass ihre Demokratische Fortschrittspartei (DPP) eine Schlappe erlitten hatte. Bei den sogenannten »Neun-in-eins«-Wahlen am Samstag, bei denen 21 Bürgermeister und rund 11 000 Gemeinderäte in Taiwan neu gewählt wurden, hatte die auf Nationalebene oppositionelle Nationale Volkspartei Kuomintang (KMT) die meisten Regionen für sich entschieden. Und dies gilt eben auch als Kritik an der Arbeit der Präsidentin. Tsai Ing-wen, die seit 2016 Taiwan regiert, hatte die Lokalwahlen schließlich selbst zu einer Richtungsentscheidung für das gesamte Land erklärt. Dass fortan ein Großteil der Regionen von der rivalisierenden KMT regiert werden, hat Tsai daher zum Anlass für persönliche Konsequenzen genommen, nämlich den Rücktritt als DPP-Parteivorsitzende. Ihre bis zum 2024 laufende Legislatur will sie zwar als Präsidentin im Amt bleiben. Aber Diskussionen um ein mögliches Ende von Tsais Regentschaft wird nun viel Futter gegeben.
Mit ihrer Fortschrittspartei steht Tsai Ing-wen vor allem für einen klaren Abgrenzungskurs gegenüber Festlandchina, das seit dem Ende des Chinesischen Bürgerkriegs im Jahr 1949 Anspruch auf die Insel Taiwan erhebt. Als die in der festlandchinesischen Hauptstadt Peking bis heute regierende Kommunistische Partei (KP) den Bürgerkrieg für sich entschied, flohen die in der Kuomintang organisierten Nationalisten auf die damals dünner besiedelte Insel Taiwan, wo sie ihren Staat ausriefen. Die Kommunistische Partei erkennt ein unabhängiges Taiwan aber bis heute nicht an.
Über knapp drei Jahrzehnte wurde Taiwan autoritär vom KMT-Chef und Staatsgründer Chiang Kai-shek regiert, nach dessen Tod im Jahr 1975 setzte eine Demokratisierung ein. In den 1980er Jahren entstand ein Mehrparteiensystem. Die KMT gilt darin heute als jene Kraft, die den relativ besseren Draht zu Peking hat. Mit der KP hat sie sich auf einen Modus Operandi geeinigt, maßgeblich dem »Ein-China-Prinzip«, demzufolge Taipeh und Peking jeweils beteuern, es gebe nur ein legitimes China, wenngleich sich beide Seiten uneins über die Interpretation dieses Prinzips sind.
Die DPP dagegen ist ein Produkt der Demokratisierung, lehnt das »Ein-China-Prinzip« ab, auch wenn sie deshalb noch keine formale Unabhängigkeit fordert. Die sieht sie faktisch ohnehin als gegeben. Doch schon diese klarere Abgrenzung von China und die Schwächung des einstigen Status quo hat zu Verstimmungen geführt. Bei der KMT beteuert man, eine erneute Annäherung an Peking sei nicht zuletzt wirtschaftspolitischer Pragmatismus, da auf diese Weise die wichtigen Handelsbeziehungen gestärkt werden könnten.
Die DPP dagegen kritisiert jede Reise, die KMT-Politiker aufs Festland unternehmen, als Verrat an Taiwan. Beide Seiten begründen ihre je eigene Haltung mit jener in Peking, wo Staatspräsident Xi Jinping die »Wiedervereinigung« mit Taiwan zu einem wichtigen Ziel erklärt und mehrfach eine Invasion angedroht hat, sollte sich Taiwan diesem Vorhaben weiterhin widersetzen. Wiederholte Militärmanöver vor Taiwans Küste verleihen dem Nachdruck. Gerade in den vergangenen Wochen.
Die Niederlage der DPP bei den Lokalwahlen in Taiwan hat Peking auch schon als Signal für die eigene Politik kommentiert. Die Wahlergebnisse seien ein Zeichen dafür, dass die Menschen in Taiwan »Frieden« wollen, in Peking auch ein Synonym für den Anschluss Taiwans an Festlandchina. Allerdings will das weder die weitgehend geschlagene DPP so sehen noch die erfolgreiche KMT. Beide Parteien bestehen auf der Autonomie Taiwans und wollen einen Anschluss ans Festland vermeiden. Sie unterscheiden sich eher in der Weise, wie eng sie die Beziehungen zum Festland gestalten wollen.
Tsais harte Abgrenzung, die Taiwan zuletzt auch härtere Wirtschaftssanktionen aus Peki ng beschert hat, will die KMT aufweichen. Nicht zuletzt ein Mann mit einem großen Namen will dem ein Ende bereiten: Chiang Wan-an, der am Samstag zum neuen Bürgermeister der Hauptstadt Taipeh gewählt wurde. Der 43-jährige Chiang ist ein Urenkel des Staatsgründers Chiang Kai-shek und gilt schon deshalb als potenzielles politisches Schwergewicht.
Zwar muss sich der Nachkomme des einstigen Staatsgründers nun zunächst mit Kommunalpolitik beschäftigen. Seine Siegesrede aber war schon von präsidialen Metaphern geprägt: »Wir haben es gemeinsam geschafft«, erklärte Chiang am Wochenende, »dieser Sieg gehört allen Bürgern von Taipeh. Es ist ein Sieg des Lichts über die Dunkelheit, des Guten über das Böse.« Ein bisschen klang es schon wie eine erste Kampfansage in Richtung der nun geschwächten Präsidentin Tsai Ing-wen.
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