Onlineseminare ade

Vertreter von Universitäten und Senat diskutieren die Corona-Lage an den Hochschulen

  • Marten Brehmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Geschlossene Universitäten, Seminare über Zoom, abgesagte Auslandssemester – die Corona-Zeit hatte weitreichende Konsequenzen für den Alltag an den Berliner Hochschulen. Inzwischen sind zwar die Gebäude wieder geöffnet, und in den meisten Bereichen ist man zur Präsenzlehre zurückgekehrt, aber viele Effekte der Pandemie werden die Universitäten auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen. Im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses wurde jetzt, am Ende des dritten Pandemiejahres, eine Zwischenbilanz gezogen und ein Blick darauf geworfen, wie die Hochschulen weiter mit Corona umgehen werden.

Ein vorsichtig positives Fazit zog FU-Präsident Günter M. Ziegler, der in seiner Funktion als Vorsitzender der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen in den Ausschuss eingeladen war. Trotz der großen Herausforderung durch die Pandemie habe man viele Studierende zum Abschluss begleiten und den Wissenschaftsbetrieb aufrechterhalten können. Inzwischen sei man fast vollständig zum Normalbetrieb zurückgekehrt. Das soll auch so bleiben: »Wir wollen die Unis nicht wieder zumachen«, sagte er. Trotzdem brauche es eine gesetzliche Grundlage, damit die Universitäten selbstständig Maskenpflichten erlassen und so auf das Infektionsgeschehen reagieren können. »Corona ist noch nicht vorbei«, warnte er.

Auch Martin Möckel, Professor und ärztlicher Leiter der Notfall- und Akutmedizin an der Charité, fand lobende Worte: »Wir sind stolz, trotz der Pandemie eine patientennahe Ausbildung ermöglicht zu haben«, sagte er. Dank einer Sonderregelung seien Patientenbesuche für angehende Ärzte weiter möglich gewesen, Vorlesungen und Seminare seien allerdings digital abgehalten worden. Annette Simonis, Personalrätin an der Charité und Vertreterin der Landesvertretung Akademischer Mittelbau, wies aber auf eine Leerstelle hin: Weil Routineuntersuchungen und -eingriffe während der Pandemie häufig abgesagt wurden, habe sich die Ausbildung von Fachärzten teils deutlich verlängert. Zudem sei der Zugang zu Laboren und Bibliotheken massiv eingeschränkt gewesen.

Ein weiteres Problem thematisierte Susanne Plaumann, Sprecherin der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an den Berliner Hochschulen: Besonders die Karrieren von Wissenschaftlerinnen hätten unter der Pandemie gelitten. Eine Studie habe gezeigt, dass Frauen in der Pandemie weniger Beiträge in Fachzeitschriften veröffentlichen konnten, weil sie häufiger Kinder im Heimunterricht betreuen mussten. Dieses Phänomen wird als »Gender Publication Gap« bezeichnet. Bei Auswahlverfahren für Professuren und andere Stellen stünden sie jetzt häufig schlechter da als ihre männlichen Kollegen. »Die Auswirkungen der Pandemie werden uns da noch lange beschäftigen«, warnte sie. Sie forderte, diese Umstände bei Berufungsverfahren stärker zu berücksichtigen und strengere Zielvorgaben bei der Frauenquote auf Postdoc-Positionen zu machen.

Kontrovers diskutiert wurden sogenannte hybride Lehrveranstaltungen, bei denen ein Teil der Studierenden anwesend ist und ein anderer online zugeschaltet. Gabriel Tiedje von der Landes-Asten-Konferenz wünschte sich mehr solcher Veranstaltungen. »Gerade wird es Studierenden, die Selbstverantwortung zeigen wollen, schwer gemacht«, sagte er. Viele Studierende hätten mit Blick auf die Infektionslage häufig noch ein »mulmiges Gefühl« und wollten etwa vor Besuchen bei gefährdeten Verwandten vorsichtig sein. Wer in der Uni nichts verpassen wolle, müsse sich aber dem Infektionsrisiko bei Lehrveranstaltungen aussetzen.

Auch Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) wünschte sich, dass »die Erfahrungen bei der digitalen Lehre besser genutzt werden«. Daher habe man auch die Förderung von entsprechenden Angeboten erneuert. Skepsis gab es allerdings vonseiten der anwesenden Universitätsvertreter. »FU Berlin steht nicht für Fernuniversität Berlin«, sagte FU-Präsident Ziegler. Hybridveranstaltungen seien mit großem Aufwand verbunden, gleichzeitig stellten sie Lehrende vor große didaktische Probleme, konstatierte er. Charité-Professor Möckel verwies auf technische Schwierigkeiten der hybriden Lehre, etwa schwankende Netzqualität. Für ihn sei das sogenannte Blended Learning, also das gemischte Lernen, bei dem Präsenzveranstaltungen digital vor- und nachbereitet werden, die bessere Option.

Ein weiterer Streitpunkt waren die Sonderregelungen für Studierende während der Pandemie. Die Universitäten hatten unter anderem die Zahl der Prüfungsversuche erhöht und die Abgabefristen für Abschlussarbeiten ausgesetzt. Studierendenvertreter Tiedje wünschte sich, dass diese liberalen Regelungen auch weiter gelten: »Ein Großteil der Studierenden hat während der Pandemie den Job verloren und muss jetzt mehr arbeiten, um das auszugleichen.« Zu strenge Vorgaben könnten jetzt die Abbruchquote steigern. FU-Präsident Ziegler sprach dagegen »ein klares Votum« gegen eine Verlängerung aus. »Dafür gibt es keinen guten Grund, weil an den Unis längst wieder Normalbetrieb herrscht«, sagte er. Senatorin Gote lobte zwar das Verhalten der Studierenden in der Pandemie, »das ein Stück weit Vorbild auch für andere gesellschaftliche Gruppen war«. Dennoch schloss auch sie aus, die Sonderregeln zu verlängern.

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