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Migrationsförderung für Wirtschaft
Regierungsparteien einigen sich auf Eckpunkte für Erleichterung der Einwanderung von Fachkräften
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP war es bereits festgehalten: Die Regierungskoalition will die Einwanderung von Fachkräften erleichtern und damit den Rufen aus den Unternehmen nachkommen, die seit Jahren einen dramatisch zunehmenden Mangel an qualifiziertem Personal beklagen. Nun haben sich die Ampelparteien offenbar auf »Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten« geeinigt.
Drittstaatsangehörigen »mit gutem Potenzial« soll demnach der Aufenthalt zur Suche eines Arbeitsplatzes ermöglicht werden, heißt es in dem Papier, aus dem am Dienstag mehrere Medien zitierten. »Wir werden auf Grundlage eines transparenten unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen«, heißt es darin. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, »Deutschlandbezug« und Alter genannt. Zudem sollen die Grenzen für das Einkommen, das Arbeitsmigranten mindestens erzielen müssen, erheblich gesenkt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen soll Menschen auch ohne vorherige formale Anerkennung ihres Abschlusses die Zuwanderung ermöglicht werden, wenn Firmen sie einstellen wollen.
Ausländischen Studierenden soll demnach künftig erlaubt werden, 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Bundesregierung setzt offen darauf, dass diese sowie Auszubildende aus dem Ausland nach ihrem Abschluss als Fachkräfte in Deutschland bleiben. Zudem sollen Deutschkurse im In- und Ausland gefördert werden. In der IT-Branche könnte den Plänen zufolge von Seiten der Behörden auf ausreichende Deutschkenntnisse verzichtet werden. Unternehmen sollen selbst entscheiden können, welche Sprachkenntnisse sie für nötig halten. Das Kabinett will die Eckpunkte an diesem Mittwoch beschließen. Die entsprechenden Gesetzentwürfe sollen im ersten Quartal des kommenden Jahres auf den Weg gebracht werden.
Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, unterstrich den großen Bedarf an Fachkräften, weshalb qualifizierte Zuwanderung unerlässlich sei. Den zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland bezifferte sie auf »netto« rund 400 000 jährlich. Wegen des demografischen Wandels werde man ohne größere Einwanderung nicht auskommen, sagte sie der »Süddeutschen Zeitung«. Noch immer aber müssten ausländische Arbeitskräfte vergleichsweise viele Hürden nehmen, beklagte die frühere SPD-Chefin.
Derweil kritisierten Vertreter der Unionsparteien nicht nur die Pläne der Regierung zur Senkung der Hürden bei der Einbürgerung in Deutschland lebender Migranten, sondern auch die zur Erleichterung der Zuwanderung von Fachkräften. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), beklagte am Dienstag in Berlin, die Regierungskoalition wolle »flächendeckend mit dem deutschen Pass« um sich werfen. Bei den Vorhaben zur Fachkräfteeinwanderung erteilte Frei insbesondere dem vorgeschlagenen Punktesystem eine Absage.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beim Bund, Monika Schnitzer, unterstützt hingegen die Regierungspläne: Eine erleichterte Einbürgerung stärke die Integration der in Deutschland lebenden und arbeitenden Migranten, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). Die Erleichterung der Arbeitsmigration sei »angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels unbedingt zu begrüßen«, lobte Schnitzer.
Und die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, erklärte: »Beim Thema Einwanderung müssen wir endlich weg von einer Voraussetzungsverwaltung hin zu einer echten Willkommenskultur.« Eine erleichterte Einbürgerung sei ein positives Signal an Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland und zugleich an alle interessierten Fachkräfte im Ausland.
Auf Eile bei der Verabschiedung der Gesetzesnovelle zur Arbeitsmigration drängte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe. Die Branche brauche trotz mehr als 200 000 zusätzlichen Einstellungen seit 2012 und gesteigerten Ausbildungszahlen bis 2030 weitere 120 000 Fachkräfte, erklärte er am Dienstag. Man hoffe, »dass die Bundesregierung nun konsequent die Zuwanderung« erleichtere, etwa indem die Anerkennung von Berufsabschlüssen in Deutschland nachgeholt werden könne. Auch Ungelernte müssten es leichter haben, in Deutschland zu arbeiten, forderte Pakleppa. Dafür müssten »Hürden wie die realitätsfernen Einkommensgrenzen« und die Schwierigkeiten beim Familiennachzug gesenkt werden.
Positiv äußerte sich auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Auch der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften könne sich langfristig als wichtiger Standortvorteil für Deutschland erweisen, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit soll künftig nach einem Gesetzentwurf des Innenministeriums statt wie bislang nach acht bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich sein. Bei Erbringung »besonderer Integrationsleistungen« soll man die Einbürgerung sogar schon nach drei Jahren beantragen können.
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