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  • Entführung von Trinh Xuan Thanh

Staatskriminalität vor Gericht

Berliner Prozess um die Entführung eines Vietnamesen fortgesetzt

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Frau tut viel, um nicht erkannt zu werden. Als sie im November als Zeugin vor dem Berliner Kammergericht aussagte, trug sie eine große Sonnenbrille. Als sie am Mittwoch vom Zuschauerraum aus das Geschehen verfolgt, verdecken Hut und Maske ihr Gesicht. Die 53-Jährige ist die Ehefrau des im Sommer 2017 vom vietnamesischen Geheimdienst von Berlin nach Hanoi entführten Trinh Xuan Thanh. Seit über sechs Jahren lebt die Immobilienkauffrau nach eigenen Angaben mit ihren jüngsten Kindern in Berlin. Die Familie versuche, sich an das hiesige Leben zu gewöhnen. »Aber meine Tochter sagt immer wieder, was wir alles tun könnten, wenn der Vater hier wäre«, sagte sie im Zeugenstand.

Vor dem Kammergericht wird seit Anfang November gegen den 32-jährigen Anh Tu L. verhandelt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, an der Entführung des vietnamesischen Ex-Politikers beteiligt gewesen zu sein.

Die Ehefrau hat seit dem Kidnapping keinen Kontakt zu ihrem Mann. Nach Vietnam zu fahren, wäre für sie zu gefährlich. Was sie vor Gericht über seine Haftbedingungen sagt, weiß sie von ihrem ältesten Sohn und den Schwiegereltern, die Trinh Xuan Thanh einmal pro Monat in der Haftanstalt besuchen dürfen. In der Corona-Pandemie durften aber auch sie den Inhaftierten nicht sehen. Vier Jahre lang habe der Ex-Politiker in der Untersuchungshaftanstalt B 14 des Geheimdienstes unter strenger Isolationshaft in einer Vier-Quadratmeter-Zelle gesessen, berichtet seine Ehefrau. Freigang habe es nicht gegeben. Seit 2021 befinde er sich nun in einem normalen Gefängnis mit besseren Bedingungen, berichtet die Ehefrau im Zeugenstand. Doch auch das, was sie als »normale Haftbedingungen« beschreibt, erschüttert: 25 Männer seien in einer Zelle untergebracht. Die Gefangenen gingen arbeiten, hätten Freigang und Staatsbürgerkundeunterricht. Kontakte zu Anwälten gebe es nicht.

Dass Anh Tu L. erst jetzt vor Gericht steht, liegt daran, dass er sich unmittelbar nach der Tat nach Vietnam abgesetzt hatte. In diesem Jahr überkam ihn Sehnsucht nach Prag, wo er bis 2017 gelebt hatte und wo seine Mutter bis heute lebt. Bei der Einreise wurde er festgenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert, die ihn mit internationalem Haftbefehl gesucht hatte. Das Geschehen im Gerichtssaal verfolgt der Angeklagte stets aufmerksam: wenn die Ehefrau des Entführten spricht, Ermittler Untersuchungsergebnisse vorstellen, der Richter Dokumente verliest; und auch, als ein Polizist referiert, was die Auswertung der Daten des Handys ergab, das L. bei seiner Einreise nach Tschechien abgenommen wurde. Demnach hat er die fünf Jahre seit der Tat in Vietnam gelebt, sich mit Grundstücken beschäftigt. In welcher Rolle, bleibt unklar. In Tschechien war er zuvor als Kraftfahrer beschäftigt gewesen. Als »Tagelöhner«, wie sein Verteidiger sagt, was aber wohl tief gestapelt ist, wenn man sich vor Augen hält, welche Fahrzeuge er damals fuhr.

Anders als 2018, als schon einmal ein Entführungshelfer vor Gericht stand und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde, nehmen die Medien diesen weiteren Prozess kaum wahr, jedenfalls die deutschen. Dagegen sitzen Journalisten aus der Slowakei regelmäßig auf den Pressebänken. Das liegt daran, dass Trinh Xuan Thanh nach Überzeugung der Ermittler mit einem slowakischen Regierungsflugzeug aus dem Schengen-Raum gebracht wurde. Vietnams noch immer amtierender Innenminister To Lam hatte nach aktuellen Erkenntnissen 2017 ein lediglich 40minütiges Treffen mit seinem damaligen slowakischen Amtskollegen Robert Kalinak anberaumt – offenbar ein Vorwand, damit Kalinak ihm die Regierungsmaschine leihen konnte, um das Entführungsopfer mit von vietnamesischen Diplomaten gefälschtem Pass aus dem Schengen-Raum zu bringen, so die Überzeugung von Chefermittler Andreas Voges.

In der Slowakei ist das Thema gerade hoch brisant: Am Mittwoch hat die nationale Kriminalbehörde Naka ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nicht wegen der Entführung selbst, sondern wegen des Verdachts der Bestechung. Die Ermittler gehen davon aus, dass von vietnamesischer Seite an Personen in der Slowakei Bestechungsgelder für das Ausleihen des Regierungsflugzeugs flossen. Es lässt sich nur vermuten, dass es sich bei diesen um Politiker handelt.

Allerdings wurden in der Slowakei wegen der Entführung schon zweimal Ermittlungen eingeleitet, die die Staatsanwaltschaft aber wieder einstellte. Ex-Innenminister Kalinak bestreitet, dass das Opfer je in dem slowakischen Regierungsflugzeug saß. Dem widerspricht allerdings der damalige Präsident Andrej Kiska. Vor vier Wochen hatte eine slowakische Zeitung einen Auszug aus seinen noch unveröffentlichten Memoiren gedruckt, in dem es um die Entführung ging. Darin behauptet er, wenige Tage danach von seinem Personenschützer, der dem Innenministerium unterstanden habe, von dem Vorfall und einer Beteiligung Kalinaks gehört zu haben.

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