Für Ramaphosa wird es eng

Südafrikas Präsident droht ein Amtsenthebungsverfahren durch das Parlament

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine stolze Rinderherde gilt in weiten Teilen Afrikas als Ausdruck von Reichtum und einer gehobenen gesellschaftlichen Stellung. Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ist ein Freund des edlen Viehs. Über das Ankole-Rind hat er gar ein eigenes Buch geschrieben. Auch der Zucht von wilden Huftieren ist der Mann nicht abgetan, auf seiner Farm Phala Phala im Norden Südafrikas tummeln sich seltene Antilopen und Büffel. Seit Ramaphosa 2012 bei einer Auktion knapp 20 Millionen Rand (damals etwa zwei Millionen Euro) für einen Büffel bot, bekam er in seinem Heimatland – dem mit der weltweit größten Ungleichverteilung von Reichtum – gar selbst den Spitznamen »Büffel« verpasst. Die Kritik damals konnte der durch Unternehmensbeteiligungen zum Rand-Milliardär gewordene Ex-Gewerkschaftsführer abwehren und noch im selben Jahr zum Vizepräsidenten des regierenden African National Congress (ANC) aufsteigen. Seit 2018 steht er an der Regierungsspitze. Nun allerdings könnte ihn – so zumindest die Ironie der Geschichte in Ramaphosas eigener Version – ausgerechnet eine Herde Büffel das Amt kosten.

Die Groteske, die Südafrika in dieser Woche ins politische Chaos stürzte und die Kurse der Landeswährung Rand wie der Staatsanleihen auf Talfahrt schickte, klingt eigentlich zu bizarr, um wahr zu sein. Bedeutsam wurde sie, als der ehemalige Geheimdienstchef Arthur Fraser, schwer korruptionsumwittert und bekannt als Handlanger von Ramaphosas geschasstem Vorgänger Jacob Zuma, im Juni dieses Jahres Anzeige gegen den Präsidenten erstattete. Der Vorwurf: Auf der Farm des Staatschefs seien große Mengen an US-Dollar unbekannter Herkunft gestohlen worden, Ramaphosa habe den Einbruch aber verheimlicht und stattdessen seinen Wachdienst auf die Verfolgung der Täter angesetzt, diese dann foltern lassen und schließlich mit Schweigegeld ruhiggestellt.

Nachdem Ramaphosa eingestehen musste, dass es den Einbruch im Jahr 2020 tatsächlich gegeben hat, beauftragte das Parlament eine dreiköpfige unabhängige Kommission damit herauszufinden, ob Gründe für die Aufnahme eines Amtsenthebungsverfahren vorliegen. Das Trio – ein ehemaliger Vorsitzender Richter des Verfassungsgerichts aus der Vor-Zuma-Zeit, eine ehemalige Richterin und eine aktive Anwältin – hatte dazu kaum Ermittlungskompetenzen, sollte ja auch niemanden anklagen oder gar verurteilen, sondern beschränkte sich im Wesentlichen auf die Beurteilung der Einlassungen Frasers und Ramaphosas.

Was letzterer erklärte, machte die Geschichte nicht weniger grotesk. Nach Ramaphosas Version tauchte ein sudanesischer Geschäftsmann namens Mustafa Mohamed Ibrahim Hazim, über den sonst nichts bekannt ist und der selbst per Google-Suche nicht zu finden ist, am 25. Dezember 2019 – also an Weihnachten – auf Phala Phala auf. Er suchte sich 20 Büffel zum Kauf aus, bezahlte für die Tiere mit 580 000 US-Dollar in bar bei Ramaphosas Farm-Geschäftsführer – und holte sie dann niemals ab. Das Geld habe sein Geschäftsführer dann in einer Couch versteckt, aus der es schließlich bei dem Einbruch gestohlen worden sei, erklärte Ramaphosa.

Bei den vom Parlament beauftragten Juristen hinterließ diese Darstellung offensichtlich größere Fragezeichen. Am vergangenen Mittwoch übergab die Kommission ihren Bericht nun an Parlamentspräsidentin Nosiviwe Mapisa-Nqakula, machte darin »besorgniserregende, unbefriedigende Gesichtspunkte zur Erklärung des Ursprungs der Fremdwährung« aus und stellte entsprechend einen Anfangsverdacht fest: Der Präsident, der sich stets als Vorkämpfer gegen die Korruption gibt, könnte selbst gegen die Verfassung und Anti-Korruptionsgesetze verstoßen haben.

Seitdem erschüttert ein politisches Erdbeben Südafrika, dessen schwerster Stoß noch bevorstehen könnte. Mehreren südafrikanischen Medienberichten zufolge soll Ramaphosa bereits am Donnerstag gegenüber Vertrauten seinen Rücktritt angeboten haben. Sein Sprecher kündigte eine TV-Ansprache an, die am Abend aber doch wieder abgesagt wurde. Scheinbar hatten einflussreiche Vertraute den Präsidenten umgestimmt. Stattdessen kam am Freitag das Nationale Exekutivkomitee des ANC in Johannesburg zusammen. Weil Ramaphosa nicht erschien, vertagte sich das höchste Parteigremium jedoch nach nur einer Stunde auf den heutigen Montag.

Die Zeit drängt, denn schon am Dienstag wird das Parlament über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens beraten. Wenn die ANC-Führung zu dem Schluss kommt, dass Ramaphosa dann nicht mehr zu halten wäre, ist eine vorherige Abberufung des Präsidenten nach wie vor ein wahrscheinliches Szenario. Seine parteiinternen Gegner bringen sich bereits in Position, zumal in weniger als zwei Wochen der Wahlparteitag des ANC ansteht. Sollte gegen ihn Anklage erhoben werden, dürfte Ramaphosa nach den Regeln der Partei nicht erneut für deren Vorsitz kandidieren. Auch damit wäre sein politisches Schicksal besiegelt. Der Büffel, so scheint es, hat sich verrannt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.