- Berlin
- Wirtschaft
Tesla macht sich in Grünheide breit
Gemeindevertreter beraten über Bebauungsplan, Landtagsabgeordnete über die Verkehrsanbindung
Optimierung lautet das Zauberwort beim US-Konzern Tesla. Wo immer ein Euro eingespart werden könnte, wird das versucht. So sollten die Elektroautos in der am 22. März 2022 eröffneten Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) ursprünglich just in time hergestellt werden. Das bedeutet, das herangeschaffte Material wird umgehend verbaut und es wird keine nennenswerte Lagerhaltung betrieben. Mit den weltweiten Lieferschwierigkeiten, die in der Coronakrise entstanden, hat sich der Plan aber als undurchführbar herausgestellt. Nun benötigt die Konzerntochter Tesla Manufacturing Brandenburg SE doch umfangreiche Flächen für Logistik und Lager, darunter auch zusätzliche Parkplätze.
Mit Schreiben vom 17. Mai an die Gemeinde Grünheide und ihren Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) beantragte der geschäftsführende Direktor André Thierig deshalb einen Bebauungsplan für eine Werkserweiterung in östlicher Richtung. Für den ohnehin geplanten Ausbau reiche der Platz innerhalb des bestehenden Bebauungsplans Nummer 13 Freienbrink-Nord nicht aus. Es solle von der Gemeinde ein zusätzlicher Bebauungsplan aufgestellt werden.
- Der nahe der Tesla-Fabrik gelegene alte Bahnhof Fangschleuse soll im Interesse des Konzerns, aber vom Staat bezahlt, bis 2026 für rund 200 Millionen Euro durch einen Neubau ersetzt werden.
- Das Planfeststellungsverfahren für den Bahnhofsneubau soll im kommenden Jahr starten.
- Die Bahnsteige des neuen Bahnhofs Fangschleuse sollen 220 Meter lang und zwölf bis 13 Meter breit sein. Die Alternative, den alten Bahnhof einfach nur zu erweitern, wurde verworfen.
- Im Jahr 2021 stiegen in Fangschleuse täglich weniger als 1000 Fahrgäste ein und aus. Perspektivisch wird mit 5700 gerechnet.
- Von Fangschleuse zur Fabrik verkehren zum Schichtwechsel gegenwärtig fünf Werksshuttlebusse, die voll ausgelastet sind.
- Von Erkner aus plant Tesla eine Bahnschuttle mit täglich 40 Fahrten zu einer noch zu bauenden Station Fangschleuse-Süd. af
Darüber wollte die Gemeindevertretung am Donnerstagabend in einer Sitzung in der Müggelspreehalle im Ortsteil Hangelsberg beraten und entscheiden. Zuvor sollte ab 16 Uhr eine Bürgerinformationsveranstaltung stattfinden. »Es könnte knapp werden«, vermutete Wolfgang Schwarmer vor der Abstimmung. Der parteilose Bäckermeister gehört zur Linksfraktion im Kommunalparlament. Es könne sein, so seine Einschätzung, dass ein Teil der Gemeindevertreter dem Tesla-Konzern »Grenzen aufzeigen« wolle. Umstritten ist die Ansiedlung unter anderem wegen des Wasserverbrauchs und aus Furcht vor einem Verkehrskollaps auf den ohnehin schon stark belasteten Straßen der Gegend.
Es geht bei dem Bebauungsplan um 170 Hektar. Einen völlig neuen Bebauungsplan braucht es für 110 Hektar. Die übrigen 60 Hektar liegen im Bereich des vorhandenen Bebauungsplans Nummer 13. Hier sollen die bisherigen Festlegungen an die neuen Wünsche von Tesla angepasst werden. So soll die Produktion auf dem Gebiet Nummer 13 konzentriert werden. Notwendige Nebeneinrichtungen etwa für die Logistik und für ein Wartungs-, Reparatur- und Servicezentrum sollen auf der östlichen Erweiterungsfläche unterkommen. Der damit entstehende Mehrbedarf an Wasser, Strom und Gas werde »verhältnismäßig gering ausfallen«, versicherte Direktor Thierig. Zur Beschleunigung des Verfahrens bot sein Unternehmen an, die Kosten beispielsweise für notwendige Gutachten zu übernehmen. Thierig versprach: Der mit der Erweiterung vorgesehene »optimierte Schienengüterverkehr wird maßgeblich dazu beitragen, die verkehrliche Belastung in der Region weiter zu reduzieren und Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern«.
Das liegt im Interesse der Gemeinde. Dennoch herrschen dort Zweifel darüber, was Tesla vorhat und was am Ende wirklich geschieht. Seit sich der Konzern Anfang 2020 für den Standort Grünheide entschied und während er die ersten Gebäude im Rekordtempo hochzog, gab es diese und jene Änderung an den ursprünglichen Plänen. In Frage stand zuletzt auch die inzwischen fast fertige Batteriefabrik. Denn die US-Regierung von Präsident Joe Biden bietet massive Vorteile an, um den Klimaschutz in Nordamerika voranzubringen. Um in den Genuss zu kommen, will sich Tesla jetzt darauf konzentrieren, seine Batteriefabrik am Standort Austin in Texas fertigzustellen. Die Batteriefabrik in Grünheide soll aber nach bisherigem Kenntnisstand nicht aufgegeben werden. Tesla will sich dem Vernehmen nach mit der Inbetriebnahme nur mehr Zeit lassen. Die Baugenehmigung gilt bis 2025.
Der Verkehr rund um die Tesla-Autofabrik war am Donnerstag Thema im Infrastrukturausschuss des Landtags. Dort erläuterte Stefan Friedemann von der Ingenieurgruppe IVV, am Tesla-Standort Grünheide seien mit Stand Oktober 6800 Beschäftigte tätig. Davon pendelten 66 Prozent aus Berlin zur Arbeit, 31 Prozent aus Brandenburg und drei Prozent aus Polen. Allein mit der Batteriefabrik sollen 2000 weitere Jobs entstehen. Insgesamt könnte die Belegschaft auf bis zu 40 000 Köpfe anwachsen. Darüber hinaus sieht Ingenieur Friedemann in der Eröffnung der Autofabrik eine »Initialzündung« dafür, dass sich noch weiteres Gewerbe und zusätzliche Einwohner in der Gegend niederlassen. Zehn bis 15 Prozent mehr Verkehr seien zu erwarten.
Friedemann und seine Kollegen haben alles Mögliche durchgerechnet. Was wäre zum Beispiel, wenn aus dem von Tesla gewünschten Güterbahnhof auf dem Werksgelände nichts wird? Statt 54 Güterzüge pro Tag müssten dann 1900 Lastkraftwagen vorfahren. Ähnliche Berechnungen präsentierte Friedemann für den Fall, dass aus einem Werksshuttlezug von Erkner aus nichts wird, mit dem täglich 600 Beschäftigte zur Arbeit kommen könnten. Die »Firmenideologie« von Tesla spreche allerdings dafür, möglichst viel Personal mit Bus und Bahn heranzuholen, betonte Friedemann. Die Leute sollen möglichst nicht mit dem Auto kommen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.