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Was kostet die Welt?

Wie teuer die Vergesellschaftung von Wohnraum werden könnte, lässt sich nicht genau sagen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Auch Wohnungen am Kotti gingen im 2,5 Milliarden schweren Vonovia-Deal 2021 in Landeshand über – eine Vergesellschaftung wäre billiger gewesen, findet Deutsche Wohnen & Co enteignen.
Auch Wohnungen am Kotti gingen im 2,5 Milliarden schweren Vonovia-Deal 2021 in Landeshand über – eine Vergesellschaftung wäre billiger gewesen, findet Deutsche Wohnen & Co enteignen.

Es sind turbulente Zeiten auf dem Immobilienmarkt. Vor allem der Zinsanstieg bringt vom Finanzmarkt abhängige Wohnungskonzerne in Bedrängnis. Weil sich einige von ihnen schwertäten, noch Kredite zu bekommen, seien sie aktuell fast froh über eine Enteignung ihrer Bestände inklusive Entschädigungspreis, gab die Grünen-Spitzenkandidatin und Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Grüne) kürzlich im Interview mit dem »Tagesspiegel« zu Protokoll. Für die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen Anlass, um klarzustellen: Eine Entschädigung, über die sich die Konzerne freuen, widerspreche dem Sinn der Vergesellschaftung.

Doch wie viel würde es am Ende kosten, die Berliner Bestände aller profitorientierten Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Gemeineigentum zu überführen? Zu viel, raunten viele schon vor dem Volksentscheid. Der Senat ging in seiner Kostenschätzung von bis zu 39 Milliarden Euro aus. Die Aktivisten errechneten weniger und zeigten auch Rechenfehler in der Senatsberechnung auf. »Die Vergesellschaftung ist haushaltsneutral möglich«, betont Ralf Hoffrogge von der Initiative bei einer Veranstaltung am Mittwochabend zum wiederholten Mal. Denn die Kredite, die nötig wären, um die Entschädigungssumme im Milliardenbereich zu bestreiten, wenn mindestens 240 000 Wohnungen vergesellschaftet werden sollen, ließen sich über die Jahre aus den Mieteinnahmen der Wohnungen tilgen.

Doch gerade das vergangene Jahr hat gezeigt, dass sich einige Vorzeichen verändert haben. »Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Schulden wieder Geld kosten«, mahnt Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) mit Blick auf den Zinsanstieg. Auch die Vergesellschaftung würde nicht spurlos am Landeshaushalt vorbeigehen. Denn die Anstalt des öffentlichen Rechts, in deren Hände die vergesellschafteten Wohnungsbestände nach dem Willen der Initiative übergehen sollen, bräuchte zunächst Eigenkapital, um einen Kredit in Höhe der Entschädigungssumme aufzunehmen, den sie dann aus den Mieteinnahmen tilgt. Etwa 20 Prozent der Kreditsumme wären das. Geld, für das das Land zwar auch wieder Darlehen aufnehmen kann, für die es dann aber auch Zinsen zahlen muss.

Eine andere Entwicklung könnte dem Vergesellschaftungsanliegen hingegen zugute kommen: die derzeit am Markt stattfindende Neubewertung von Immobilienbeständen, bei der deutlich wird, dass die Werte, die die Konzerne in ihren Bilanzen führen, zu hoch sind. »Es wird zwar immer noch versucht, sich darauf zu verständigen, dass die spekulative Bewertung der Immobilien stimmt«, sagt Susanne Heeg. »Aber alle großen Aktiengesellschaften versuchen zu verkaufen«, so die Stadtforscherin, die auch Mitglied der vor allem juristischen Expertenkommission ist, die über die Umsetzbarkeit des Volksentscheids berät.

Wenn selbst der Verkehrswert der Wohnungen sinkt, dann könnte auch der Entschädigungswert sinken, der am Ende für eine zu vergesellschaftete Wohnung gezahlt werden muss. Ohnehin wäre der Preis, für den Wohnungen am Markt gehandelt werden, nicht der, der bei der Vergesellschaftung an die Unternehmen zu zahlen wäre, sind sich viele sicher. Im Grundgesetz heißt es, dass die Entschädigung »unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten« zu bestimmen ist. Wie diese gerechte Abwägung aber konkret aussieht, ist eine der großen Unbekannten, die sich am Ende wahrscheinlich erst vor Gericht auflösen lässt – vorausgesetzt, es findet sich der politische Wille zur Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids.

Deutsche Wohnen & Co enteignen ging in einer Berechnung von 18 Milliarden Euro aus, ein Betrag, der sich aus der Hochrechnung der Immobilienwerte von 2013 ergab, bevor der Betonrausch so richtig einsetzte. »Die Zahlen, die für die Entschädigung in der Vergangenheit im Raum standen, sind nicht mehr ganz up to date«, sagt Finanzsenator Daniel Wesener, der auch die Zahlen der Initiative aufgrund der aktuellen Marktentwicklung für zu hoch angesetzt hält. Angesichts der Marktschwankungen sei es deshalb viel wichtiger, die Berechnungsmethode zu bestimmen als über konkrete Zahlen zu spekulieren.

Eine mögliche Berechnungsmethode, für die sich auch Wesener ausspricht, ist das Ertragswertmodell. Nach dem Verfahren würde sich die Entschädigungssumme für eine Wohnung nicht aus dem Verkehrswert ergeben, sondern aus der Miete, die auf eine bestimmte Anzahl von Jahren hochgerechnet wird. Auch Immobilienunternehmen bewerten so ihre Bestände. Landeseigene Wohnungsunternehmen multiplizieren beispielsweise eine Jahresnettokaltmiete mit dem Faktor 14, Vonovia hingegen verwendet einen mehr als doppelt so hohen Faktor.

Nach der Auffassung von Deutsche Wohnen & Co enteignen solle aber nicht die tatsächliche Miete, die bei vielen über den 30 Prozent des verfügbaren Einkommens liegt, in die Berechnung einfließen, sondern ein Betrag, der sich an dem orientiert, was als leistbare Miete bezeichnet wird. »Das ist charmant, weil die Gemeinwirtschaft damit nicht nur ideologisches Ziel ist, sondern auch die Entschädigungspraxis prägt«, findet Ralf Hoffrogge.

Die nächste Unbekannte, die es auch für die Berechnung aufzulösen gilt, ist die Zahl der Wohnungen, die überhaupt vergesellschaftungsreif sind – die also profitorientierten Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gehören. Um diese bestimmen zu können, bräuchte die eingesetzte Expertenkommission Daten aus den Grundbüchern, die die Senatsjustizverwaltung ihr aber »aus rechtlichen Gründen« nicht zur Verfügung stellt, was Finanzsenator Wesener, wie er sagt, auch nicht verstehen könne. »Die Kommission ist wie ein Fisch ohne Wasser. Solange das der Fall ist, kann sie nicht arbeiten«, sagt auch Kommissionsmitglied Susanne Heeg.

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