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  • Brennelementefabrik Lingen

Schließung oder »Ost-Expansion«?

Bundesumweltministerium für Schließung der Lingener Brennelementefabrik

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesumweltministerium (BMUV) würde es eigentlich begrüßen, wenn die Produktion von Brennelementen für Atomkraftwerke in Deutschland ein Ende findet. In der Sache tätig werden will das Ministerium aber offensichtlich nicht. »Es ist aus Sicht des BMUV im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des deutschen Atomausstiegs generell erforderlich, die Kernbrennstoffproduktion zu beenden«, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. »Dafür ist eine Änderung der Gesetzeslage erforderlich«. Eine Kopie des Briefes liegt »nd« vor.

Ein Ministeriumssprecher bestätigte auf Anfrage: »Aus Sicht des Bundesumweltministeriums würde die Beendigung der Kernbrennstoffproduktion den deutschen Atomausstieg vervollständigen.« Gleichzeitig verwies er darauf, dass im geltenden Koalitionsvertrag keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen worden seien: »Eine aktuelle Verfolgung der genannten Einschränkungen« sei deshalb »derzeit nicht erfolgversprechend«. Das Aktionsbündnis und weitere Anti-Atom-Gruppen fordern, das Ministerium müsse nun »die eigene Glaubwürdigkeit beweisen« und selbst einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegen.

In der Bundesrepublik werden AKW-Brennelemente seit 1979 im emsländischen Lingen gefertigt. Betreiber der Fabrik ist nach mehrmaligem Wechsel die Firma »Advanced Nuclear Fuels« (ANF). ANF ist eine Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome, der wiederum zum staatlich dominierten französischen Energieunternehmen Èlectricité des France (EdF) gehört. Die Lingener Fabrik beliefert Atomkraftwerke unter anderem in den Niederlanden, in Belgien und in der Schweiz mit frischem Uranbrennstoff. Sie ist bislang, ebenso wie die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, vom deutschen Atomausstieg ausgenommen.

Statt einer raschen Silllegung könnte es nun sogar zu einer Geschäftsausweitung kommen. So könnte aus Lingen künftig auch Kundschaft aus Osteuropa beliefert werden. Wie die »Neue Osnabrücker Zeitung« (»NOZ«) berichtete, will Framatome/ANF nicht mehr nur viereckige Brennelemente bauen, wie sie vorrangig in Reaktoren westlicher Bauart zum Einsatz kommen. Die Produktion solle vielmehr so umgestaltet werden, dass dort bald auch sechseckige Brennelemente montiert werden könnten, die in Atomkraftwerken russischer Bauart verwendet werden.

Bereits vor Beginn des Krieges gegen die Ukraine hatte der russische Staats- und Atomkonzern Rosatom Interesse an einem Joint Venture mit ANF in Lingen signalisiert. Ein entsprechender Antrag des russisch-französischen Konsortiums lag dem Bundeswirtschaftsministerium bereits vor, wurde dann aber zurückgezogen. Der »NOZ« zufolge soll das Joint Venture zwischen Rosatom und Framatome nun in Frankreich angesiedelt werden.

Das Aktionsbündnis und weitere Initiativen sind »entsetzt, dass Frankreich versucht, mitten im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine die atomare Partnerschaft mit Russland weiter voranzutreiben«. Damit werde zwangsläufig auch die Lingener Brennelementefabrik »in den Einflussbereich des Kreml« geraten. Es sei auch mit einer Zunahme an Uranlieferungen aus Russland zu rechnen. Umgekehrt will Framatome via Russland und Kasachstan künftig auch chinesische AKW mit Uranbrennstoff beliefern. Für Lingen wurden laut Recherchen von Bürgerinitiativen im November Lieferungen von Brennstäben nach Kasachstan genehmigt. Endkunden in China könnten angesichts des Brennelement-Typs etwa die beiden von EdF errichteten Reaktoren in Taishan sein oder aber die von Framatome vor 30 Jahren gebauten AKW in Daya Bay.

In den vergangenen Wochen hatten Atomkraftgegner immer wieder gegen geplante und bereits erfolgte Urantransporte von Russland nach Lingen demonstriert. In dem Brief des Bundesumweltministeriums heißt es dazu: »Auf europäischer Ebene setzen wir uns für eine Erweiterung der Sanktionsmaßnahmen auf die russische kerntechnische Industrie ein (…). Ohne solche Sanktionsregelungen besteht derzeit rechtlich leider keine Handhabe, den Import aus Russland stammenden oder in Russland bearbeiteten Urans an die Brennelementfabrik in Lingen zu beenden.« Für den 21. Januar haben Anti-Atom-Gruppen eine neuerliche Demo in Lingen angekündigt.

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