»Unser Ziel ist es, die Menschen zu schockieren«

Ökonom Avinash Persaud über die Veränderung des Finanzsystems für Klimazwecke und die Mobilisierung großer Summen

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie wollen Tausende Milliarden in den Klimaschutz investieren. Ist das nicht etwas zu ambitioniert?

Unser Ziel ist es, die Menschen zu schockieren, damit sie den richtigen Maßstab finden. Wir sind nicht auf einen bestimmten Plan festgelegt. Wir wollen die Diskussion eröffnen, damit die Menschen anfangen können, Pläne dieser Größenordnung zu diskutieren. Die Welt braucht vier Billionen Dollar oder mehr pro Jahr für das Klima. Derzeit geben wir etwa 800 Milliarden aus, ein Fünftel dessen.

Interview

Avinash Persaud, geboren 1966 in Barbados, ist der Sondergesandte für Klimafinanzierung von Premierministerin Mia Mottley. Zuvor war er Professor am Gresham College in London, arbeitete für Finanzfirmen wie J.P. Morgan, UBS, State Street und GAM. Persaud leitete zudem verschiedene internationale Kommissionen zur Reform des Finanzsystems.

Sie sagen, dass die Energiewende in Entwicklungsländern an den Kapitalkosten scheitert. Aber warum sind die Zinsen dort so hoch?

Das Hauptproblem bei den Kapitalkosten liegt nicht bei den Projekten selbst. Es liegt vielmehr an unserem internationalen Finanzsystem. Wenn es zu einer globalen Krise kommt, steigt die Nachfrage nach Dollar, Euro und Franken. Daher können die Regierungen der Industriestaaten auf die Krise reagieren, indem sie mehr Geld ausgeben und die Zinsen senken. Ihr Problem ist, dass ihre Währung zu stark ist. In den Entwicklungsländern ist es umgekehrt. Die Anleger steigen aus deren Währungen aus, wenn eine Krise eintritt. Die Regierungen müssen daher mit Zinserhöhungen und Ausgabenkürzungen reagieren. Das macht die Krise noch schlimmer. Der Privatsektor weiß das. Also sagt der: Ich brauche eine Rendite, die mich dafür entschädigt.

Und wie lassen sich die Zinsen drücken?

Man muss die internationalen Reservewährungen nutzen. Wir machen das Problem, das die Kapitalkosten verursacht, zu einem Teil der Lösung, indem wir einen Fonds mit Sonderziehungsrechten (SDRs) des Internationalen Währungsfonds (IWF) kapitalisieren. Für SDRs wird derzeit nur ein Zins von 2,8 Prozent fällig. Daher könnte der neue Fonds dann Kredite mit einem niedrigen Zinssatz vergeben. Zudem könnte er sich privates Kapital leihen und die ursprüngliche Kapitalisierung um ein Vielfaches hebeln.

Es werden also keine Steuergelder aus den Industriestaaten in die Entwicklungsländer überwiesen?

Wenn manche sagen, dass reiche Länder zahlen müssen, dann bin ich mir dessen bewusst, dass niemand gewählt wurde, um einen großen Scheck an Ausländer auszustellen. Das sind Demokratien. Sie stellen nur große Schecks für ihre eigenen Leute aus. Wir mussten also eine Lösung finden, bei der sie einen Beitrag leisten, aber keinen großen Scheck ausstellen. Und die Art und Weise, wie sie ihren Beitrag leisten, ist die Verwendung des Wertes ihrer Reservewährungen. Es gibt 12,7 Billionen Dollar an Reserven, die sozusagen für einen regnerischen Tag bereitgehalten werden. Und ich sage: Wacht auf, dies ist der Regentag, und wir müssen eine Billion davon mobilisieren, um die Ersparnisse des privaten Sektors zu aktivieren. Dies ist ein globaler Plan, kein Plan nur für die Entwicklungsländer oder für die Industriestaaten.

Und wie ist das bei der Erhöhung der Klimafinanzierung durch die Weltbank?

Auch hier müssen die Industriestaaten keinen Scheck ausstellen. Das Geld ist ja schon da, aber es muss besser genutzt werden.

Und beim Fonds für Verluste und Schäden?

Hier sehen wir zwei Instrumente vor: Die Klauseln für Naturkatastrophen sind nicht sexy, aber es ist das größtmögliche Instrument. Wenn wir von einer Katastrophe getroffen werden und der Schuldendienst ausgesetzt würde, wird Liquidität im Wert von rund 17 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes (BIP) frei. Um das in den Kontext zu stellen: Die Weltbank und der IWF kommen mit großem Getöse zu uns und sagen: Seht her, wir haben ein tolles Angebot für euch, aber es ist auf zwei Prozent des BIPs begrenzt. Im Falle einer Katastrophe hilft jedes bisschen, aber zwei Prozent des BIPs reichen nicht aus. Das zweite Instrument ist der Fonds, der von denen befüllt wird, die von fossilen Energien profitieren. Diese müssten also tatsächlich Geld überweisen, aber sonst niemand.

Und bis wann wollen Sie all das erreichen?

Der Charakter der Bridgetown-Initiative besteht darin, dass sie sehr konkrete Ideen enthält, die alle innerhalb von 18 Monaten umsetzbar wären. Sie sind einzeln umsetzbar, aber gemeinsam würden sie das System verändern.

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