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Frankreich bereitet sich auf Stromabschaltungen vor

Stillgelegte Kernkraftwerke könnten im Januar zu Engpässen bei der Versorgung führen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Frankreichs Regierung bereitet die Bevölkerung auf zeitweilige Stromabschaltungen vor. Diese könnten notwendig werden, wenn der Januar besonders kalt wird und der Strombedarf nicht mehr aus eigener Produktion gedeckt werden kann. Ende vergangener Woche wurde in Frankreich deshalb schon mal der Ernstfall simuliert. Ein kurzzeitiger Blackout In der Hauptstadt Paris hatte damit allerdings nichts zu tun. Er lag an einem defekten Transformator.

Gründe für Frankreichs mögliche Stromengpässe sind seine nach wie vor große Abhängigkeit von der Atomkraft und der Rückstand bei der Energiewende. Denn von den 59 Kernreaktoren des Landes sind zurzeit mehr als 20 wegen turnusmäßiger Instandhaltungsarbeiten oder nötiger Reparaturarbeiten abgeschaltet. Von diesen kann in den kommenden Wochen und Monaten nur eine Handvoll wieder in Betrieb genommen werden. Importe, beispielsweise aus Deutschland, sind aufgrund des Eigenbedarfs der Lieferländer nur in begrenztem Umfang möglich, und die Wiederinbetriebnahme schon stillgelegter Kohlekraftwerke kann nur einen verschwindend geringen Teil des Bedarfs decken.

Die französische Regierung appelliert daher an Bevölkerung und Wirtschaft, Strom zu sparen und vor allem in den Hauptbedarfszeiten 10 Prozent weniger als im Vorjahr zu verbrauchen. Dann könne man vielleicht Stromabschaltungen vermeiden, vorausgesetzt der Winter wird nicht zu kalt. Diese Argumentation kommt offensichtlich an. In der vergangenen Woche lag der Verbrauch bereits 8,2 Prozent unter dem Vorjahresverbrauch. Doch vorsichtshalber hat die Regierung bereits einen Maßnahmenplan für zeitweilige Stromabschaltungen aufgestellt, falls der Bedarf nicht mehr voll gedeckt werden kann.

Die Abschaltungen sollen zeit- und räumlich versetzt erfolgen und jeweils nicht länger als zwei Stunden dauern. Beispielsweise werden sie auf dem Land kein ganzes Departement und in Paris keinen Stadtbezirk betreffen, sondern immer nur einen Teil davon. Sie werden drei Tage im Voraus geplant. Wo sie wann erfolgen, erfährt man über die zentrale Warn-App Ecowatt. Die größten Probleme bereitet offensichtlich die Vorsorge, bestimmte wichtige Verbraucher von der Stromabschaltung auszunehmen oder für sie Notstromaggregate in ausreichender Zahl und Stärke bereitzustellen. Das betrifft in erster Linie Krankenhäuser, Gefängnisse und Polizeireviere. Viel Polemik gab es bereits um die Frage, ob und wie die Schulen geschlossen werden und wie der Telefonverkehr aufrechterhalten werden kann. Schließlich muss sichergestellt sein, dass Notrufe bei der Feuerwehr oder den Rettungsdiensten ankommen.

Um immer aktuell informiert zu sein, soll man ein batteriebetriebenes Radio bereithalten und für Licht mit aufladbaren Lampen sorgen. Wer auch während der Stromabschaltungen offline weiterarbeiten will, wird aufgerufen, seinen Computer dafür rechtzeitig aufzuladen. Da der Strom nie länger als zwei Stunden abgeschaltet sein wird, ist nicht zu befürchten, dass Lebensmittel verderben, denn die Kühlschränke zu Hause, die Kühltruhen in den Läden und die Kühlzellen in den Lagerhallen des Großhandels und der Industrie können die Temperatur problemlos so lange im nötigen Temperaturbereich halten.

Manche Überlegungen im Zusammenhang mit den Stromabschaltungen sind jedoch fragwürdig. Zum Beispiel erklärte ein Sprecher des Stromverteilungsnetzes RTE in einem Interview, dass ein Langzeitkranker, der zu Hause auf eine mit Strom betriebene Sauerstoffpumpe angewiesen ist, als »nicht prioritär« eingestuft werde. Der Aufschrei deswegen war groß. Premierministerin Elisabeth Borne beeilte sich zu versichern, dass die Ausführungen des RTE-Sprechers nur »unglücklich formuliert« gewesen seien und dass solche Kranken selbstverständlich vorbeugend erfasst und während einer Stromabschaltung in ein Krankenhaus aufgenommen würden.

Präsident Emmanuel Macron muss wohl den Eindruck gewonnen haben, dass die öffentliche Debatte um die eventuellen Stromabschaltungen der Regierung entglitten ist. So nutzte er am Rande des Balkan-Treffens der EU in Tirana ein Interview für einen in Frankreich sehr populären Rundfunksender, um die »Panikmache« scharf zu verurteilen und zu versichern, dass die durchgehende Stromversorgung über den Winter hinweg gesichert werden kann, wenn sich alle Franzosen die Ratschläge zum Energiesparen zu eigen machen.

Als eine Folge der öffentlichen Auseinandersetzung um dieses Thema ist die Nachfrage nach Notstromaggregaten der verschiedensten Größe und Leistung sprunghaft gestiegen – und die Produktion kommt nicht nach. Außerdem sind die größeren Geräte meist schon für Monate im Voraus für die Lieferung in die Ukraine vorbestellt. Wer vernünftig abwägt, muss einsehen, dass dort die Lebenslage der Menschen unter den Bedingungen des Bombenkrieges ungleich schwerer ist als in Frankreich, wo es schlimmstenfalls darum geht, hin und wieder einmal für zwei Stunden ohne Strom auszukommen.

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