15 Monate Haft für Brückenblockade

Debatte um lange Gefängnisstrafe für Klimaaktivistin Deanna »Violet« Coco

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 3 Min.

Im April hatte Deanna »Violet« Coco eine Spur auf der berühmten Hafenbrücke Sydneys blockiert, die den Norden der Stadt mit der Innenstadt verbindet. Die Brücke hat zwar mehrere Spuren in jeder Richtung, doch Coco suchte sich die Hauptverkehrszeit aus, um möglichst viel Aufmerksamkeit für ihren Klimaprotest zu erzeugen. Mit letzterem war sie insofern erfolgreich, denn die Aktion endete damit, dass eine Richterin eine 15-monatige Gefängnisstrafe verhängte. Mindestens acht Monate muss Coco tatsächlich absitzen, danach kann sie auf Bewährung entlassen werden.

Allerdings wurde die 31-Jährige jetzt nach einer Anhörung am Bezirksgericht des Bundesstaates New South Wales am Dienstag auf Kaution aus der Haft entlassen, wie unter anderem das australische Nachrichtenportal news.com.au berichtete. Mehr als 100 Menschen hatten sich zuvor vor dem Gericht versammelt, um Cocos Freilassung zu fordern. Die Auflage des Gerichts lautet, dass sich die Aktivistin der Hafenbrücke nicht auf weniger als einen Kilometer nähern darf.

Dass die Strafe so hoch ist, liegt unter anderem daran, dass die Aktivistin, die mehr Maßnahmen gegen die Klimakrise fordert, schon häufiger mit ähnlichen Aktionen aufgefallen ist. Außerdem hatte sie während des Protests eine Fackel angezündet und sich den Anweisungen der Polizei widersetzt. Richterin Allison Hawkins begründete ihre Entscheidung zudem mit dem »egoistischen emotionalen Handeln« der Angeklagten, durch das »eine ganze Stadt« habe leiden müssen.

Das Urteil hat in Australien eine heftige Debatte über die Legitimität bestimmter Protestformen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten ausgelöst, die jener in Deutschland ähnelt. Es wird darüber gestritten, ob Aktionen, mit denen auf die Dringlichkeit des politischen und gesellschaftlichen Handelns gegen die Klimakrise aufmerksam gemacht werden soll, das Leben normaler Menschen stören und diese unter Umständen in Gefahr bringen dürfen.

Der Premierminister des Bundesstaates New South Wales, in dem Sydney liegt, begrüßte die Entscheidung des Gerichts als angemessen. Das Urteil sei »erfreulich«, sagte Dominic Perrottet. Die Leute dürften demonstrieren, aber nicht so, dass das Leben Berufstätiger gestört werde. Perrottet nannte das Urteil zudem eine »klare Lektion« für potenzielle weitere Protestierer. Auch Cocos Onkel Alister Henskens, ein Minister in der Landesregierung, stellte sich hinter die Entscheidung des Gerichts. Gegenüber lokalen Medien sagte er: »Niemand steht über dem Gesetz.«

Dagegen kritisierten Menschenrechtsaktivisten und Cocos Anwalt die Entscheidung des Gerichts scharf. Der Anwalt nannte das Urteil gegenüber gegenüber der BBC »außerordentlich hart« und »unbegründet«. Er will es deswegen auch anfechten. Sophie McNeill von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schrieb auf Twitter, das Urteil sei eine »Schande« und Coco nicht die einzige Betroffene. Tatsächlich drohen auch anderen Klimaaktivisten in Australien Gefängnisstrafen. Die Verfahren gegen sie würden nur angestrengt, um andere von solchen Protestaktionen abzuschrecken, so McNeill.

Dass eine so lange Haftstrafe möglich ist, liegt daran, dass einige australische Bundesstaaten, darunter auch New South Wales (NSW), Anfang dieses Jahres Gesetze eingeführt haben, mit denen die Gefängnis- und Geldstrafen für Proteste erhöht wurden, die kritische Infrastruktur wie Straßen, Eisenbahnlinien, Tunnel und Brücken betreffen. Eine Analyse der australischen Ausgabe des »Guardian« ergab, dass das Strafmaß für solche Aktionen im Vergleich zu »normalen« kriminellen Akten tatsächlich hoch ist. So habe es in NSW Wales bisher nur in wenigen Fällen Haftstrafen gegen Personen gegeben, die Umweltschäden verursachten.

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